Arbeitnehmerhaftung: Unfall mit dem Firmenfahrzeug
Die Arbeitgeberin stellte dem Mitarbeiter die Reparaturkosten für beide Fahrzeuge in Rechnung und kürzte den Lohnanspruch des Mitarbeiters für den Monat Janaur 2023 i.H.v. 2.700 EUR aufgrund Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen betreffend die Schäden am Nissan Leaf und am BMW. Der Mitarbeiter verlangte von der Arbeitgeberin die Zahlung der Bruttovergütung für den Monat Januar 2023 sowie gesamtschuldnerisch von der Arbeitgeberin und deren Geschäftsführer die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Die Arbeitgeberin erhob Widerklage gegen den Mitarbeiter auf Zahlung der restlichen Reparaturkosten.
Das Arbeitsgericht gab der Klage hinsichtlich des Vergütungsanspruches für den Monat Januar 2023 statt und wies die Widerklage der Arbeitgeberin ab. Auf die Berufung der Arbeitgeberin änderte das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts ab und gab der Widerklage der Arbeitgeberin teilweise statt.
Dem Geschäftsführer waren durch den von dem Mitarbeiter verursachten Unfall laut Kfz-Sachverständigen kausal Schäden i.H.v. 2.315,06 EUR entstanden, § 249 BGB. Der Mitarbeiter haftete dafür allerdings nur anteilig i.H.v. 1.543,37 EUR. Die Haftungsbeschränkung ergab sich aus den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung. Die Anwendung der Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung setzt ein betrieblich veranlasstes Handeln des Arbeitnehmers voraus (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 22.03.2018, Az. 8 AZR 779/16 und Urt. v. 28.10.2010, Az. 8 AZR 418/09).
Kommen – wie hier – die Grundsätze zur privilegierten Arbeitnehmerhaftung zum Tragen, hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Letztere ist bei einem typischen Abirren, einem „sich – vergreifen“ – oder „sich vertun“ anzunehmen. Gemeint sind Fälle des am Rande des Verschuldens liegenden Versehens. Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und der missbilligte Erfolg bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt vorhersehbar und vermeidbar gewesen wäre. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu teilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen. Der Umfang der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Die Beweislast für die Pflicht- bzw. Rechtsgutverletzung, die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität sowie den Schaden tragt der Arbeitgeber.
Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze war dem Mitarbeiter hier bei der Verursachung des Unfalles mittlere Fahrlässigkeit im oberen Bereich vorzuhalten. Ein Arbeitnehmer, der beim Rückwärtsfahren mit dem Firmenfahrzeug auf dem öffentlich zugänglichen Firmenparkplatz ein dort parkendes Fahrzeug beschädigt, ist mittlere Fahrlässigkeit im oberen Bereich vorzuwerfen. Während des Rückwärtsfahrens ist es erforderlich, sich permanent durch die Benutzung des Innen- und der Außenspiegel sowie durch einen Schulterblick darüber zu vergewissern, dass die avisierte Fahrstrecke frei von Hindernissen ist. Gegebenenfalls muss sich der Fahrer durch einen Beifahrer oder eine dritte Person einweisen lassen.