Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach Mutterschutz
Mit Wirkung zum 01.12.2017 sprach der Arbeitgeber für die seinerzeit schwangere Mitarbeiterin ein Beschäftigungsverbot aus. Der Mitarbeiterin standen zu diesem Zeitpunkt aus dem laufenden Kalenderjahr fünf Tage Resturlaub zu. Aufgrund der Mutterschutzfristen und Stillzeiten für ihre im Juli 2018 sowie im September 2019 geborenen Kinder schlossen sich nahtlos mehrere Beschäftigungsverbote an. Am 31.03.2020 endete das Arbeitsverhältnis.
Die Mitarbeiterin forderte von ihrem Arbeitgeber die Abgeltung von insgesamt 68 Tagen Urlaub aus den Jahren 2017 bis 2020 (fünf Tage Resturlaub aus dem Jahr 2017, jeweils 28 Tage aus den Jahren 2018 und 2019 und 7 Tage aus dem Jahr 2020) mit rund 190 EUR brutto pro Urlaubstag. Sie war der Ansicht, zusätzlich zu dem Resturlaub aus dem Jahr 2017 seien während der Beschäftigungsverbote Urlaubsansprüche für die Jahre 2018 und 2019 in voller Höhe und für das Jahr 2020 anteilig entstanden und bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.03.2020 nicht erloschen. Als der Arbeitgeber die Zahlung verweigerte, klagte die Mitarbeiterin auf die Urlaubsabgeltung.
Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist Urlaub abzugelten, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Der Anspruch setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses offene Urlaubsansprüche bestehen, die nicht mehr erfüllt werden können, weil das Arbeitsverhältnis beendet ist. Zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.03. 2020 standen der Mitarbeiterin noch 68 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2017 bis 2020 zu. Die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2017 bis 2020, deren Abgeltung die Mitarbeiterin begehrte, waren vor dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Die Bestimmung des § 17 Satz 2 MuSchG a.F. bzw. § 24 Satz 2 MuSchG stand einem Erlöschen des Urlaubs entgegen.
Nach § 24 Satz 2 MuSchG (bis zum 31.12.2017 nach § 17 Satz 2 MuSchG a.F.) kann eine Frau Urlaub, den sie vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht oder nicht vollständig erhalten hat, nach dem Ende des Beschäftigungsverbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen. Die Vorschrift regelt eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG, dass der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Die Vorschrift des § 24 Satz 2 MuSchG knüpft ihre Rechtsfolge fortlaufend an das Ende eines jeden einzelnen Beschäftigungsverbots. Folgen mehrere Beschäftigungsverbote nahtlos aufeinander, kann die Arbeitnehmerin ihren – ggf. über mehrere Beschäftigungsverbote angesammelten – Urlaub nicht vor Beginn des letzten Beschäftigungsverbots „erhalten“. Die Arbeitnehmerin kann in diesem Fall den gesamten bis dahin aufgelaufenen Urlaub gemäß § 24 Satz 2 MuSchG nach Ende des letzten Beschäftigungsverbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen.
Dies folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut, der darauf abstellt, dass die Frau ihren Urlaub vor Beginn „eines“ Beschäftigungsverbots nicht oder nicht vollständig erhalten hat. Die Norm differenziert weder nach der Art des Beschäftigungsverbots noch danach, aus welchen Gründen der Urlaub zuvor nicht genommen werden konnte. Sie bezieht sich damit auf sämtliche der in § 2 Abs. 3 Satz 1 MuSchG genannten Beschäftigungsverbote und erfasst auch während eines Beschäftigungsverbots entstandene Ansprüche auf Erholungsurlaub. Maßgeblich ist allein, dass der Urlaub vor Beginn des (jeweils neuen) Beschäftigungsverbots nicht genommen werden konnte. § 24 Satz 2 MuSchG legt damit das Urlaubsjahr in Fällen, in denen mehrere Beschäftigungsverbote – ggf. aufgrund mehrerer Schwangerschaften – aufeinander folgen, für den bis zum Beginn des letzten Beschäftigungsverbots nicht genommenen Urlaub fortlaufend neu fest und weist das Risiko der Leistungsstörung durch ein in den festgelegten Urlaubszeitraum fallendes mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot uneingeschränkt dem Arbeitgeber zu.
Systematisch werden durch die Auslegung Wertungswidersprüche vermieden, weil bei sich nahtlos aneinanderreihenden Beschäftigungsverboten die gleichen Rechtsfolgen eintreten wie bei aufeinanderfolgenden Mutterschutzfristen und Elternzeiten. Die Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss, gilt in beiden Fällen gleichermaßen. Diesem Verständnis entsprechen Sinn und Zweck des § 24 Satz 2 MuSchG, den geschützten Frauen wie anderen Arbeitnehmern die Möglichkeit zu eröffnen, Urlaub nach einem Beschäftigungsverbot auf ein Kalenderjahr zu verteilen und nicht innerhalb eines an das Entstehungsjahr anknüpfenden Übertragungszeitraums nehmen zu müssen. Diese Auslegung des § 24 Satz 2 MuSchG entspricht schließlich auch den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG.