Anpassungsprüfung bei betrieblicher Altersversorgung: Berechnungsdurchgriff
Der Betriebsrentner verlangte die Anpassung seiner Betriebsrente zum 01.01.2019 an den Kaufkraftverlust seit dem letzten unternehmenseinheitlichen Anpassungsstichtag 01.01.2016 um 5,1 %. Er meinte, seine ehemalige Arbeitgeberin sei verpflichtet, seine Rente entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex zum 01.01.2019 um 347 EUR anzupassen. Wirtschaftliche Gründe stünden einer Anpassung seiner Betriebsrente nicht entgegen. Aus den Bilanzen der Geschäftsjahre 2014 bis 2016 ergäben sich ausreichende Eigenkapitalverzinsungen und eine insgesamt positive Tendenz. Erst nach dem Abschluss des Gewinnabführungsvertrags im Jahr 2016 sei eine negative Tendenz ersichtlich. Diese habe letztlich ihre Ursache in dem Gewinnabführungsvertrag, der zu einem Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden Gesellschaft führen müsse. Der Substanzverlust infolge von Beteiligungsveräußerungen im Jahr 2016 habe dazu geführt, dass in den zwei folgenden Jahren jeweils ein negativer Jahresüberschuss erzielt wurde. Die von der ehemaligen Arbeitgeberin im Jahr 2018 vorgenommenen Maßnahmen seien nicht geeignet, wirtschaftliche Schwierigkeiten zu dokumentieren.
Das Gericht wies die Klage ab. Der Betriebsrentner hatte keinen Anspruch auf Anpassung seiner laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG. Die wirtschaftliche Lage der ehemaligen Arbeitgeberin stand der Anpassung der Betriebsrente zum 01.01.2019 entgegen. Die Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der B GmbH lagen nicht vor.
Bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber die Belange der Versorgungsempfänger sowie seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Lässt die wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zu, ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht verpflichtet. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt seine künftige Belastbarkeit und setzt eine Prognose voraus. Die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens wird durch dessen Ertragskraft im Ganzen geprägt. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, wie das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde.
Besteht ein Gewinnabführungsvertrag, kommt es nicht zu einem Auf- oder Abbau des Eigenkapitals, da Gewinne abgeführt und Verluste ausgeglichen werden. Der Gewinnabführungsvertrag führt dazu, dass der im Jahresabschluss ausgewiesene Jahresüberschuss nicht als das Eigenkapital iSv. § 266 Abs. 3 Buchst. A IV Handelsgesetzbuch (HGB) steigernd bilanziert werden kann, sondern an den Vertragspartner des Unternehmensvertrags abzuführen ist. Der abzuführende Betrag erscheint sodann in der endgültigen Bilanz der zur Gewinnabführung verpflichteten Gesellschaft auf der Passivseite – § 266 Abs. 3 Buchst. C Nr. 6 HGB – und in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwendung. Bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrags kommt es zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage daher allein auf die Eigenkapitalverzinsung an.
Da für die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers maßgeblich ist, kommt es auf die Verhältnisse im Unternehmen des versorgungspflichtigen Arbeitgebers an. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden ist. Ein Konzern ist lediglich eine wirtschaftliche Einheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit und kann demnach nicht Schuldner der Betriebsrentenanpassung sein. Die Konzernverbindung allein ändert weder etwas an der Selbständigkeit der beteiligten juristischen Personen noch an der Trennung der jeweiligen Vermögensmassen.
Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass seine Anpassungsentscheidung billigem Ermessen entspricht und sich in den Grenzen des § 16 BetrAVG hält.
Nach diesen Grundsätzen entsprach hier die Entscheidung der ehemaligen Arbeitgeberin, die Betriebsrente des klagenden Betriebsrentner zum 01.01.2019 nicht anzupassen, billigem Ermessen i.S.v. § 16 Abs. 1 BetrAVG.
Die wirtschaftliche Lage der ehemaligen Arbeitgeberin stand ausgehend von den von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E GmbH geprüften und testierten Jahresabschlüssen für die Geschäftsjahre 2016 bis 2018 einer Anpassung der Betriebsrente zum 01.01.2019 entgegen. Auch der positive Ausblick im Lagebericht 2018 stellte die negative Prognose nicht infrage.
Die ehemalige Arbeitgeberin war auch nicht verpflichtet, sich aufgrund des Gewinnabführungsvertrags mit der B GmbH deren wirtschaftliche Lage aufgrund eines Berechnungsdurchgriffs zurechnen zu lassen.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei der Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG allein die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners maßgeblich ist, gilt im Fall des sog. Berechnungsdurchgriffs. Dabei wird dem Versorgungsschuldner die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens zugerechnet. Der Berechnungsdurchgriff führt dazu, dass ein Unternehmen, das selbst wirtschaftlich nicht zur Anpassung der Betriebsrenten in der Lage ist, gleichwohl eine Anpassung des Ruhegelds vornehmen muss, wenn die wirtschaftliche Lage des anderen Konzernunternehmens dies zulässt.
Ein Berechnungsdurchgriff kommt nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat, in Betracht, wenn sich die mit einem Beherrschungsvertrag verbundene Gefahr für das durch § 16 Abs. 1 BetrAVG geschützte Interesse der Versorgungsberechtigten am Werterhalt der Betriebsrente verwirklicht. Die ältere Rechtsprechung, nach der allein das Bestehen eines Beherrschungsvertrags ohne weitere Voraussetzungen zum Berechnungsdurchgriff führte, hat das Bundesarbeitsgericht aufgegeben.
Ein isolierter Gewinnabführungsvertrag kann demgegenüber einen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens nicht rechtfertigen. Es konnte daher dahinstehen, ob der klagen de Betriebsrentner im Gerichtsverfahren zur wirtschaftlichen Lage der B GmbH ausreichend vorgetragen hätte.
Aufgrund der Verpflichtung zur Gewinnabführung verbleiben bei der zur Gewinnabführung verpflichteten Gesellschaft keine oder nur geringere Gewinne, über deren Verwendung sie entscheiden kann. Die Gewinnverwendungskompetenz der Gesellschaft wird gegenstandslos. Das Gewinnbezugsrecht der Anteilseigner wird beseitigt. Auf das Zustandekommen eines Gewinns und auf die Ergebnisfeststellung hat der andere Vertragsteil bei Bestehen eines isolierten Gewinnabführungsvertrags – sofern nicht zusätzlich ein Beherrschungsvertrag besteht – jedoch keinen Einfluss. Der isolierte Gewinnabführungsvertrag führt demnach nicht dazu, dass das andere Unternehmen die Höhe des Gewinns des zur Gewinnabführung verpflichteten Unternehmens beeinflussen kann.
Die enge wirtschaftliche Verknüpfung ist für sich genommen kein taugliches Merkmal, von einer Leitungsmacht des herrschenden Konzernunternehmens auszugehen. Zu fragen ist vielmehr danach, ob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners maßgeblich durch die Entwicklungen des verbundenen Konzerns bestimmt werden kann. Ein beherrschender Einfluss ist nur anzunehmen, wenn das herrschende Unternehmen über gesicherte rechtliche Einflussmöglichkeiten beim abhängigen Unternehmen verfügt und damit in der Lage ist, diesem Konsequenzen für den Fall der Nichtbefolgung anzudrohen und sie durchzusetzen. Für die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist aber auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens vor einer Abschöpfung der Gewinne aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags abzustellen, so dass der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers i.S.d. § 16 Abs. 1 BetrAVG nicht beeinflusst.
Im Gegensatz zum Beherrschungsvertrag, bei dem das herrschende Unternehmen die Rechtsmacht hat, durch Ausübung seines Weisungsrechts die wirtschaftliche Entwicklung eines anderen Unternehmens so weitgehend zu bestimmen, dass dieses seine wirtschaftliche Selbständigkeit verliert, hat das Unternehmen, an das der Gewinn eines anderen abgeführt wird, diese Rechtsmacht nicht. Der Gewinnabführungsvertrag setzt weder eine tatsächliche Beherrschung noch das Recht und die Möglichkeit zu nachteiliger Einflussnahme voraus. Die Rechtsfolgen der §§ 302 f. Aktiengesetz (AktG) treten dort allein unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für die Pflicht der beherrschten Gesellschaft zur Gewinnabführung ein. Das abführende Unternehmen verliert seine wirtschaftliche Selbständigkeit nicht. Daran änderte für sich genommen auch eine Personenidentität in der Geschäftsführung der beteiligten Gesellschaften nichts.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.11.2022
Aktenzeichen: 3 AZR 505/21