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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Anfechtung einer Betriebsratswahl – Keine Vernehmung von Zeugen zu ihrem Wahlverhalten

Anfechtung einer Betriebsratswahl – Keine Vernehmung von Zeugen zu ihrem Wahlverhalten

Wenn die Vorschriften über das Wahlverfahren eingehalten wurden und auch die Vorgaben zum aktiven und passiven Wahlrechts vollständig berücksichtigt wurden, ist das Wahlergebnis hinzunehmen. Der Betriebsrat wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Dieser Grundsatz verbietet es, einen Wähler darüber zu befragen, wie er abgestimmt hat.

In einem Wahlanfechtungsverfahren wurde über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl gestritten, die am 09.05.2022 stattgefunden hatte. Der Wahlvorstand hatte am 16.05.2022 durch Rundschreiben per E-Mail und durch Aushang das Wahlergebnis bekannt gemacht. Darin teilte er mit, dass 37 Stimmen auf die Vorschlagsliste 1 und 71 Stimmen auf die Vorschlagsliste 2 entfielen. Im Betrieb der Arbeitgeberin wahlberechtigte Arbeitnehmer machten die Unwirksamkeit der Wahl geltend und rügten, dass der Einwurfschlitz der Wahlurne nicht versiegelt worden sei und der Verdacht bestehe, dass manipulativ in die Wahl eingegriffen worden sei. Es hätten sich 55 wahlberechtigte Arbeitnehmer, die an der Wahl teilgenommen hatten, bei den Vertretern der Liste 1 gemeldet. Sie hätten erklärt, dass sie ihre Stimme für die Liste 1 abgegeben haben. Zum Beweis der Tatsache, dass diese Wahlberechtigten ihre Stimme für die Liste 1 abgegeben hatten, beriefen sich die Antragsteller auf die Zeugenvernehmung der Arbeitnehmer. Der Betriebsrat hingegen war der Auffassung, dass das Wahlverfahren ordnungsgemäß eingehalten worden sei. Der Einwurfschlitz der Wahlurne sei nach dem Wahlgang versiegelt worden. Es handele sich um ein unzulässiges Vorgehen, da Vorgesetzte nach der Wahl Mitarbeiter aufgefordert hätten, ihr Wahlverwalten offenzulegen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitnehmer, die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären, zurückgewiesen.

Es lag weder ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Satz 2 Wahlordnung, noch gegen § 12 Abs. 5 Wahlordnung vor. Die Wahlurne war vom Wahlvorstand verschlossen und so eingerichtet worden, dass die eingeworfenen Wahlumschläge nicht herausgenommen werden konnten, ohne die Urne zu öffnen. Zudem war die Wahlurne nach Abschluss der Stimmabgabe versiegelt worden. Dies ergab sich in freier Beweiswürdigung aus der Anhörung des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters sowie aus der Einsichtnahme der digitalen Fotos. § 286 der Zivilprozessordnung ZPO findet im Beschlussverfahren Anwendung.

Die vom Wahlvorstand vorgenommene technische Lösung entsprach auch den Vorgaben von § 12 Abs. 5 Wahlordnung. Denn durch die Versiegelung ist sicherzustellen, dass nicht in unzulässiger Weise weitere Stimmzettel in die Wahlurne geworfen werden. Deshalb erfolgt sie durch Zusiegeln des Einwurfschlitzes für die Stimmzettel. Es genügt dabei, wenn die Einwurfsöffnung zugeklebt und der Klebestreifen von den im Wahlraum anwesenden Mitgliedern des Wahlvorstands und Wahlhelfern unterschrieben wird, so dass die Öffnung der Urne nicht ohne Beschädigen des Streifens freigemacht werden kann.

Die Wahl war auch nicht deswegen anfechtbar, weil 55 wahlberechtigte Arbeitnehmer nach der Wahl schriftlich erklärt hatten, die Liste 1 gewählt zu haben. Für das Wahlanfechtungsverfahren ist es unbeachtlich, dass sich aus diesen Erklärungen eine Diskrepanz zu dem bekannt gemachten Wahlergebnis ergab. Denn wenn im Rahmen eines Wahlanfechtungsverfahrens keine Verstöße gegen Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren festgestellt werden können, ist das Wahlergebnis bindend. Das ergibt sich zum einen unmittelbar aus der ausdrücklichen Regelung des § 19 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), zum anderen auch aus § 14 Abs. 1 BetrVG. Der Betriebsrat wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Dieser Grundsatz verbietet es, einen Wähler darüber zu befragen, wie er abgestimmt hat. Insofern schied auch eine weitere Zeugenvernehmung der 55 Arbeitnehmer aus.

Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 15.09.2022

Aktenzeichen: 7 BV 6/22