Wann verfällt tarifvertraglicher Zusatzurlaub?
Der gesetzliche Urlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr oder im Übertragungszeitraums (bis zum 31.03. des Folgejahres) gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz – BUrlG). Ansonsten verfällt der Urlaub.
Infolge neuer Rechtsprechung vom Februar 2019 müssen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer jedes Jahr rechtzeitig
– dazu auffordern, ihren Urlaub zu nehmen und
– konkret darüber informieren, dass der Urlaub mit Ablauf des 31.12. oder des Übertragungszeitraums verfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht beantragt.
Ansonsten verfällt der gesetzliche Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres bzw. Übertragungszeitraums nicht, sondern bleibt bestehen. Er tritt zu dem Urlaubsanspruch für das Folgejahr hinzu und es gelten die gleichen Regelungen wie für den Urlaub des Folgejahres. „Konkret“ bedeutet, dass sich der Hinweis auf einen genau bezeichneten Urlaubsanspruch beziehen muss. Nicht ausreichend sind daher Angaben im Arbeitsvertrag oder einem Merkblatt. Ansonsten gibt es keine Vorgaben zur Form der Information.
Gilt dies alles auch für den zusätzlichen tarifvertraglichen Urlaub?
Der Fall:
Ein Mitarbeiter war als Notfallsanitäter im Rettungsdienst im Rahmen einer Viertagewoche in ständiger Wechselschicht bei einem Arbeitgeber tätig. Nach dem anwendbaren Tarifvertrag erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten einen Zusatzurlaub. Der Mitarbeiter meinte, er habe im Jahr 2016 zu wenig Zusatzurlaubstage erhalten. Der Arbeitgeber meinte, dass der Zusatzurlaub für das Jahr 2016 mit dem Ablauf des Jahres 2016 verfallen sei. Er hatte den Mitarbeiter jedoch nicht darauf hingewiesen, dass er seinen Zusatzurlaub bis zum Jahresende nehmen müsse, da er ansonsten verfalle. Es kam zum Gerichtsstreit.
Die Entscheidung:
Das Gericht gab dem Mitarbeiter Recht. Der Arbeitgeber war seiner Mitwirkungsobliegenheit beim Urlaubsanspruchs nicht nachgekommen. Der Arbeitgeber muss konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge tragen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten gesetzlichen Jahresurlaub zu nehmen. Er muss den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordern, seinen Urlaub zu neh-men, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt. Der Verfall des tariflichen Zusatzurlaubs für Arbeitnehmer richtet sich ebenfalls nach diesen Vorgaben. Zwar können die Tarifvertragsparteien den tariflichen Zusatzurlaub abweichend vom gesetzlichen Urlaub regeln. Das war hier aber nicht geschehen. Es gab im Text des Tarifvertrags keinen Hinweis darauf, dass der tarifliche Zusatzurlaub unabhängig von einem entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers verfallen soll (BAG, Urt. v. 26.05.2020, Az. 9 AZR 129/19).
Bei Urlaubsnachforderungen von Arbeitnehmern für vergangene Jahre wegen nicht erfolgten Hinweises des Arbeitgebers auf den Urlaubsverfall sollten tarifgebundene und -anwendende Arbeitgeber zunächst den Text der bei ihnen geltenden bzw. angewendeten Tarifverträge daraufhin prüfen, ob der tarifliche Zusatzurlaub unabhängig von einem entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers verfallen soll. Bejahendenfalls kann die verlangte Urlaubsnachforderung in Bezug auf den tariflichen Zusatzurlaub zurückgewiesen werden.