Fristlose Kündigung wegen rassistischer WhatsApp-Nachrichten
Das Arbeitsgericht Stuttgart hat im März diesen Jahres die fristlose Kündigung eines seit 1983 bei Daimler beschäftigten, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten und in Altersteilzeit mit tariflichem Alterskündigungsschutz arbeitenden Anlagenwarts wegen grober Beleidigung eines Arbeitskollegen für wirksam erklärt (Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14.03.2019, Az. 11 Ca 3737/18) . Da ein solcher Mitarbeiter gemeinhin als „unkündbar“ gilt, sollen die Hintergründe des Falls näher dargestellt werden.
Was war also passiert? Der Mitarbeiter hatte von seinem Mobiltelefon über Monate hinweg zahlreiche rassistische WhatsApp-Nachrichten an einen türkischen Kollegen geschickt. Die Nachrichten hatten ausweislich des Urteilstatbestands folgenden Inhalt:
- Bild einer Rittersport Marzipan Schokoladentafel, bei welcher das Wort „Ritter“ mit „Hitler“ und das Wort „Marzipan“ mit „Nazipan“ ersetzt worden war. Neben der Tafel war das Abbild von Adolf Hitler zu sehen mit den Worten „Dafür stehe ich mit meinem Namen“.
- Bild eines Schneemanns in der Pose des Hitlergrußes. Der Schneemann wies im Hinblick auf den Schnurbart und die Frisur äußerliche Merkmale von Adolf Hitler auf.
- Bild eines Schützen aus dem zweiten Weltkrieg mit einem Schnellfeuergewehr über dem Satz „Das schnellste deutsche Asylverfahren lehnt bis zu 1400 Anträge in der Minute ab!“.
- Bild einer Gangschaltung in Hackenkreuzform.
- Bilddatei, auf welcher Adolf Hitler beim Zeitunglesen abgebildet ist. Neben der Überschrift „Adolfs Presseschau“ ist auf dem Bild eine Sprechblase mit folgendem Inhalt zu sehen: „Sensationell: Deutschland hat 2016 mehr Nazis als im dritten Reich“.
- Bild von Adolf Hitler in einem Bilderrahmen. Auf dem Bilderrahmen stehen die Worte „Ohne dich ist alles doof“.
- Bild mit dem Text: „Nein ich meinte was halten Sie von Flüchtlingen? Abstand! Ich wollte wissen, wie Sie Flüchtlingen gegenüberstehen? Mit dem Gewehr im Anschlag. Nein verdammt, ich möchte wissen, was Ihre Einstellung dazu ist? Vollautomatisch und entsichert. Haben Sie etwas gegen Flüchtlinge? Ja, Pistolen, Maschinengewehre, Handgranaten…Nein. Ich meine wie finden Sie Flüchtlinge? Radar, Nachtsichtgerät…“.
- Bild mit einem vermeintlichen Witz aus der „Österreichischen Rechtsprechung“: In Textform wird beschrieben, dass ein Österreicher vor Gericht stehe, weil er zwei Türken angefahren und schwer verletzt habe. Zuletzt gibt der Österreicher auf mehrfache Nachfrage des Richters zu, dass er die „ScheissTürken“ schon von weitem gesehen habe und auf sie „draufghaltn“ habe. Der eine sei durch die Frontscheibe geflogen der andere in einen Hauseingang. Der Österreicher bereue nichts. Woraufhin der Richter konstatiert, dass das eine Opfer wegen Sachbeschädigung und das andere wegen Hausfriedensbruch verklagt werde.
- Bild von der Rückseite eines T-Shirts, auf welchem neben einer Reichsflagge mit Hakenkreuz steht: „Wenn dich diese Flagge stört, helfe ich dir beim Packen“.
- Bild einer jungen Frau, deren Hände ein Hakenkreuz bilden mit dem Text „Das wäre MEINE Bundeskanzlerin“.
- Bild einer Person im Ku-Klux-Klan Gewand mit einer brennenden Fackel mit der Aufschrift „Ich hab mir jetzt auch so eine Burka gekauft…“.
- Video, in welcher eine Torte angeschnitten wird, auf welcher die Zahl 88 steht. In dem Video ist zu sehen, wie ein erstes Tortenstück herausgeschnitten wird und in der Torte ein Hakenkreuz erscheint.
- Video von Adolf Hitler.
- Bild der Kanzlerin mit Kopftuch in traditioneller muslimischer Frauenkleidung beim Tragen eines Tabletts.
- Bild eines Revolvers mit einem in die falsche Richtung, also auf den Schützen selbst zeigenden Lauf unter der Bemerkung „Sachsen will Migranten bewaffnen“.
- Bild eines Reichsadlers mit Hakenkreuz und der Aufschrift „Auf dass der Adler wieder fliegt – Gruß an all meine Kameraden/innen – stolz, treu und aufrecht“.
- Video, in dem die Tonspur einer nationalsozialistischen Rede über einen Kindertrickfilm gelegt wurde. Der Text lautet: „In jeder Stunde an jedem Tag nur zu denken an Deutschland an Volk und an Reich, an unsere deutsche Nation, unser deutsches Volk Sieg Heil, Sieg Heil, Sieg Heil, Sieg Heil“.
- Bild mit dem Satz: „Da Deutschland in drei bis acht Jahren eh aussehen wird wie Ost-Aleppo, brauchen wir eher Heckler & Koch und nen Arsch in der Hose“.
- Bild eines Muslim beim Gebet, welcher gerade in gebeugter Haltung den Kopf zum Gebetsteppich neigt mit den Worten: „Der neue Vorwerk ist da: Modell Fussellutscher 15 3000“.
Zudem hatte der Mitarbeiter den türkischen Kollegen über Monate hinweg mit folgenden Aussagen beleidigt: „Ziegenficker“, „Dreckstürkenpack“, „Du hast deine Tochter sicherlich schon jemand versprochen“, „so was wie euch hätte es früher nicht gegeben“ und „Arschloch“. Der Kollege seinerseits hatte dem Mitarbeiter WhatsApp-Nachrichten mit pornografischem Inhalt geschickt und auf manche der rassistischen Nachrichten mit umgekehrt lachenden Smileys reagiert.
Der Mitarbeiter hatte im Prozess vortragen, dass die WhatsApp-Nachrichten teilweise auf ausdrücklichen Wunsch des Kollegen an diesen verschickt worden seien. Außerdem hätte der Kollege manche Nachrichten mit einem umgekehrt lachenden Smiley kommentiert, was zeige, dass er die Nachrichten nicht als beleidigend empfunden habe. Der türkische Kollege sagte hingegen aus, dass er durch seine Reaktion mit den Smileys beabsichtigt habe, die Angelegenheit „herunterzuspielen“, um sich selbst zu schützen. Außerdem habe er klar geäußert, dass er keine rassistischen Nachrichten haben wolle.
Das Gericht erklärte die Kündigung wegen grober Beleidigung des türkischen Kollegen für wirksam. Sowohl die WhatsApp-Nachrichten als auch die mündlichen Beleidigungen genügten nach Ansicht des Gerichts jeweils für sich genommen zur Begründung der fristlosen Kündigung. Der Kollege habe in der Verhandlung glaubhaft ausgesagt, dass er nicht um rassistische Nachrichten gebeten und diese mit seinen Smileys auch nicht gebilligt habe. Dass er dem Mitarbeiter nur „umgekehrt lachende Smileys“ geschickt hatte, weise auf eine doppeldeutige Aussage hin und belege damit keine ernstgemeine Akzeptanz der rassistischen Nachrichten.
Der Mitarbeiter hat Berufung gegen das Urteil eingelegt, über die dem Vernehmen nach bald entschieden werden soll.