Kryptowährung zur Erfüllung von Provisionsansprüchen als Sachbezug
Die Übertragung der sog. Kryptowährung Ether (ETH) zur Erfüllung von Provisionsansprüchen des Arbeitnehmers kann, wenn dies bei objektiver Betrachtung im Interesse des Arbeitnehmers liegt, grundsätzlich als Sachbezug i.S.v. § 107 Abs. 2 Satz 1 Gewerbeordung (GewO) vereinbart werden. Der unpfändbare Betrag des Arbeitsentgelts muss dem Arbeitnehmer aber in Geld ausgezahlt werden.
Eine Mitarbeiterin war vom 01.06.2019 bis zum 31.12.2021 bei einem Unternehmen beschäftigt, das sich u.a. mit Kryptowährungen befasst. Sie hatte zunächst eine monatliche Bruttovergütung von 960 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und ab dem 01.04.2020 in Vollzeit ein Bruttomonatsgehalt von 2.400 EUR. Zusätzlich war bis zum 31.3.2020 arbeitsvertraglich ein Provisionsanspruch auf Basis der monatlichen Geschäftsabschlüsse vereinbart. Die Provision war dabei zunächst in Euro zu ermitteln und zum Zeitpunkt der Fälligkeit – dem jeweiligen Letzten des Folgemonats – zum „aktuellen Wechselkurs“ in ETH umzurechnen und zu erfüllen. Eine Übertragung von ETH und eine Abrechnung der Provisionsansprüche erfolgte bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2021 nicht, obwohl die Mitarbeiterin die Arbeitgeberin hierzu mehrfach aufgefordert und ein für die Übertragung erforderliches Wallet am 11.08.2020 mitgeteilt hatte. Mit der Gehaltsabrechnung für Dezember 2021 zahlte die Arbeitgeberin an die Mitarbeiterin rund 15.200 EUR brutto als Provisionen aus.
Die Mitarbeiterin verlangte weitere Provisionen in Höhe von 19,194 ETH für die Monate Februar und März 2020. Als die Arbeitegeberin die Zahlung verweigerte, klagte die Mitarbeiterin auf Zahlung. Die Arbeitgeberin meinte, sie habe die geschuldete Provision durch die im Dezember 2021 geleistete Zahlung vollständig erfüllt. Unabhängig davon verlange § 107 Abs. 1 GewO die Zahlung von Arbeitsentgelt in Euro und lasse dessen Auszahlung in einer Kryptowährung nicht zu.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten der Klage der Mitarbeiterin stattgegeben. Auf die Revision der Arbeitgeberin hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.
Gemäß § 107 Abs. 1 GewO ist das Arbeitsentgelt in Euro zu berechnen und auszuzahlen. Bei einer Kryptowährung handelt es sich nicht um Geld, wie in § 107 Abs. 1 GewO verlangt. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO lässt es aber grundsätzlich zu, Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts zu vereinbaren, wenn dies im Interesse des Arbeitnehmers liegt. Um einen solchen Sachbezug handelt es sich, wenn arbeitsvertraglich die Übertragung einer Kryptowährung vereinbart ist. Diese Vereinbarung lag nach den Umständen des Einzelfalls auch im objektiven Interesse der Mitarbeiterin.
Nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO darf jedoch der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen. Dem Arbeitnehmer muss zumindest der unpfändbare Betrag seines Entgelts in Geld ausgezahlt werden. Damit soll u.a. sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen wird, erst den Sachbezug in Euro „umzutauschen“ oder Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, um die Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können. Ein Verstoß gegen § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO führt, wenn der Sachbezug, wie hier die Einheit ETH, teilbar ist, zur teilweisen Nichtigkeit der Vereinbarung. Das bedeutet, dass das Arbeitsentgelt bis zur Höhe der jeweiligen Pfändungsfreigrenzen in Geld zu leisten und der Sachbezug entsprechend zu kürzen ist.
Von diesen Grundsätzen war das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen, hat aber bei der Ermittlung der Pfändungsfreigrenzen nach den §§ 850 ff. Zivilprozessordung (ZPO) die gesetzlichen Vorgaben nicht in jeder Hinsicht zutreffend berücksichtigt. Nachdem die für die Berechnung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erforderlichen Tatsachen vom Landesarbeitsgericht nicht vollständig festgestellt worden waren, konnte das Bundesarbeitsgericht nicht selbst entscheiden, ob der Mitarbeiterin ein Anspruch auf Übertragung von ETH in zugesprochener Höhe zusteht. Die Sache war deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
Vorliegend war nicht zu entscheiden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen – unabhängig von § 107 Abs. 2 GewO – eine Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gemäß §§ 305 ff. BGB wirksam ist, nach der ein Anspruch auf Arbeitsentgelt durch Übertragung von Einheiten einer Kryptowährung zu erfüllen ist. Die Mitarbeiterin hatte sich auf die Wirksamkeit der Vereinbarung berufen; die Arbeitgeberin konnte sich als Verwenderin der Klausel nicht auf deren Unwirksamkeit berufen. Die Inhaltskontrolle dient nicht dem Schutz des Klauselverwenders vor den von ihm selbst geschaffenen Formularbestimmungen.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.04.2025
Aktenzeichen: 10 AZR 80/24