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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Voraussetzungen einer Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit

Voraussetzungen einer Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit

Der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer wegen des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit kündigt, muss darlegen und beweisen, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt gefehlt hat und die vom Arbeitnehmer behauptete Krankheit nicht vorliegt. Der Besuch einer Karnevalsveranstaltung kurz nach Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erschüttert nicht den Beweiswert der ärztlich ausgestellten Arbeitsunfähigkeit.

Ein über 50-jähriger Mitarbeiter war seit 2001 als gewerblicher Arbeitnehmer in der Logistik einesr Arbeitgeberin beschäftigt. Seine Tätigkeit war geprägt von körperlicher Arbeit, die vor Ort erledigt werden muss. Der Mitarbeiter war vom 31.10.2022 bis zum 04.11.2022 krankgeschrieben. Er ist Mitglied eines Karnevalsvereins und hatte am Abend des 04.11.2022 an einer Veranstaltung, dem sog. Mobilmachungsappell, teilgenommen. Ähnlich verhielt es sich zum anschließenden Jahreswechsel. Der Mitarbeiter war bis zum 06.01.2023 krankgeschrieben und nahm am 05.01.2023 an einer Veranstaltung, dem sog. Generalkorpsappell, teil. Die Veranstaltung begann um 19 Uhr. Ausweislich eines Videos im Internet marschierte der Mitarbeiter in voller Uniform in den Saal ein.

Am 12.01.2023 wurde die Arbeitgeberin auf die Teilnahme des Mitarbeiters an den o.g. Veranstaltungen aufmerksam. Es folgten zwei Anhörungen am 20.01. und 26.01.2023 via MS Teams zu den Vorwürfen, dass der am 05.01.2023 und am 04.11.2022 trotz vorliegender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an Karnevalsveranstaltungen teilgenommen habe. Der behandelnde Arzt des Mitarbeiters stellte fest, dass bei der letzten Arbeitsunfähigkeit bis 06.01.2023 kein Ausgehverbot bestanden habe.

Die Arbeitgeberin kündigte dem Mitarbeiter mit Schreiben vom 17.02.2023 außerordentlich fristlos und mit Schreiben vom 19.04.2023 ordentlich zum 31.12.2023. Hiergegen wandte sich der Mitarbeiter mit einer Kündigungsschutzklage und begehrte seine Weiterbeschäftigung. Er behauptete, er sei jeweils an einem akuten Atemwegsinfekt erkrankt gewesen. Am Freitag, den 04.11.2022, seien die Symptome bis auf den Husten und eine leichte Erschöpfung nicht mehr vorhanden gewesen. Er habe an der Veranstaltung teilgenommen, jedoch im Vorfeld bereits besprochen, dass er nach zwei Stunden wieder abgeholt werde. Am 05.01.2023 habe er die benannte Veranstaltung besucht, um seine Belastungsfähigkeit zu testen und sei nach ca. einer Stunde abgeholt worden, um zu vermeiden, erneut arbeitsunfähig zu erkranken.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen.

Die außerordentliche Kündigung vom 17.02.2023 war unwirksam und hatte das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Es fehlte bereits an einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Kündigung wurde – aus welchen Gründen auch immer – ausdrücklich nur als Tatkündigung und nicht auch als Verdachtskündigung ausgesprochen. Der Arbeitgeberin war es aber nicht gelungen, den Tatnachweis zu führen, d.h. dem Mitarbeiter nachzuweisen, dass er seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht hatte.

Der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer wegen des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit kündigt, muss darlegen und beweisen, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt gefehlt hat und die vom Arbeitnehmer behauptete Krankheit nicht vorliegt. Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern bzw. zu entkräften, so tritt hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage des Attestes bestand. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, seinen Vortrag z.B. mit Hinweisen zu den Fragen, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat, welche Medikamente gegeben wurden, weiter zu substantiieren. Erst wenn der Arbeitnehmer insoweit seiner Substantiierungspflicht nachgekommen ist und ggf. die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden hat, muss der Arbeitgeber auf Grund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen. Wenn der behandelnde Arzt die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit nach dem Kalenderdatum bestimmt hat, wird die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der betriebsüblichen Arbeitszeit am letzten umfassten Kalendertag bescheinigt.

Infolgedessen ließ sich im vorliegenden Fall das Bestehen des Tatvorwurfs, nämlich das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit, nicht mit der für einen Tatnachweis notwendigen Sicherheit feststellen. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 31.10.2022 bis zum 04.11.2022 wurde bereits nicht durch die Teilnahme des Mitarbeiters am Mobilmachungsappell am Abend des 04.11.2022 erschüttert. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Arbeitsunfähigkeit bereits beendet. Der Besuch einer Karnevalsveranstaltung kurz nach Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erschüttert nicht den Beweiswert der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Dies gilt zumindest vor dem Hintergrund des diagnostizierten Infekts der oberen Atemwege.

Hinsichtlich der „Erkrankung“ im Januar 2023 bestand lediglich ein entsprechender Verdacht einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit. Ein Anzweifeln der Angaben des Mitarbeiters und seines Arztes reichte hier nicht aus. Die Umstände, die den Beweiswert des ärztlichen Attests hätten erschüttern können, waren vorliegend nicht so gravierend, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung der Arbeitgeberin darstellten, die Krankheit des Mitarbeiters sei nur vorgetäuscht gewesen. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer wegen eines akuten Bandscheibenvorfalls arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, aber beim Tanz auf der Karnevalsbühne gesichtet wird.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21.01.2025

Aktenzeichen: 7 SLa 204/24