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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Alkoholverbot an Bord führt nicht zu vergütungspflichtigem Bereitschaftsdienst

Alkoholverbot an Bord führt nicht zu vergütungspflichtigem Bereitschaftsdienst

Ein Alkohol- und Drogenverbot an Bord eines Schiffes auch während der dienstfreien Zeit, um im Notfall die Einhaltung aller erteilten Anweisungen sicherzustellen, stellt keinen vergütungspflichtigen Bereitschaftsdienst dar. Die Sicherstellung der Einsatzbereitschaft eines Besatzungsmitglieds führt nur dann zum Vorliegen von Bereitschaftsdienst, wenn das Besatzungsmitglied außerhalb seiner Arbeitszeit jederzeit mit der Aufnahme seiner Tätigkeit rechnen muss. Dies ist nicht der Fall, wenn das Besatzungsmitglied nur für Notfälle einsatzbereit sein muss.

Ein Mitarbeiter ist seit 2007  als Kapitän bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Auf das Heuerverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der MTV-See und der HTV-See Anwendung. Der HTV-See beinhaltet eine pauschale Überstundenvergütung für alle Besatzungsmitglieder, mit Ausnahme von Kapitänen. Auf Nachfrage des Mitarbeiters, ob er außerhalb seiner Arbeitszeit an Bord Alkohol trinken dürfe, erwiderte seine Ansprechpartnerin bei der Arbeitgeberin per E-Mail vom 15.03.2022, dass ihre Null-Toleranz-Politik in Bezug auf Drogen und Alkohol konform sei mit deutschem Recht. Der Grund dafür sei die Sicherheit in Notfällen. Nüchtern seien Seeleute besser in der Lage, ihre Aufgaben wiederaufzunehmen.

Infolgedessen forderte der Mitarbeiter von der Arbeitgeberin die Vergütung von Bereitschaftszeiten. Er behauptete, dass er jederzeit in der Lage sein müsse, das Kommando auf der Brücke zu übernehmen. Folglich sei in dieser Weisung die Anweisung eines permanenten Bereitschaftsdienstes zu sehen. Diese Anweisung und die Null-Toleranz-Anweisung hinsichtlich des Genusses alkoholischer Getränke in der dienstfreien Zeit seien Anweisungen einer ständigen Bereitschaft. Pro voller Woche würden sich 128 Stunde Bereitschaftsdienst ergeben.

Die Arbeitgeberin lehnte die Vergütung von Bereitschaftszeiten ab. Sie behauptete, keine Weisung gegenüber dem Mitarbeiter erteilt zu haben. Seine Ansprechpartnerin sei nicht befugt gewesen, dem Mitarbeiter Weisungen zur Tätigkeit an Bord zu erteilen, insbesondere Bereitschaftsdienst anzuordnen und/oder über das Alkoholverbot der Reederei zu disponieren. Aus der Seeleute-Arbeitszeit-Richtlinie (1999/63/Entgeltgruppe) selbst sei nicht ableitbar, dass ein Seemann außerhalb seiner üblichen Dienstzeiten Bereitschaftsdienst leiste. Es sei zudem nicht ableitbar, dass eine solche Arbeitszeit vergütungspflichtige Arbeitszeit wäre. Der Mitarbeiter klagte beim Arbeitsgericht auf Vergütung von Bereitschaftszeiten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Mitarbeiter hatte keinen Anspruch auf Vergütung von Bereitschaftsdiensten.

Bereitschaftsdienst ist die Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, während der sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten muss, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen. Während der Bereitschaftszeit kann der Arbeitnehmer nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29.03.2023, Az. 5 AZR 446/21). Die E-Mail der Arbeitgeberin enthielt aber weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Anweisung von Bereitschaftsdienst an den Mitarbeiter. Die Sicherstellung der Einsatzbereitschaft eines Besatzungsmitglieds führt nur dann zum Vorliegen von Bereitschaftsdienst, wenn das Besatzungsmitglied außerhalb seiner Arbeitszeit jederzeit mit der Aufnahme der Tätigkeit rechnen muss. Dies ist nicht der Fall, wenn das Besatzungsmitglied nur in Notfällen einsatzbereit zu sein hat.

Notfälle zeichnen sich dadurch aus, dass es sich um ungewöhnliche, nicht vorhersehbare Ereignisse handelt, die Gefahr für Leib und Leben der Besatzung oder eines unverhältnismäßigen Schadens mit sich bringen. Hierzu zählen Fälle von Schiffshavarien, d.h. plötzlich auftretende Störungen durch Brand, Explosion, Sturm, die eine unmittelbare Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Besatzung darstellen bzw. zur Beschädigung oder Zerstörung des Schiffes oder von Teilen des Schiffes führen können. Auch eine Mann-über Bord-Rettung oder ein Angriff auf das Schiff stellen einen Notfall dar.

Es liegt in der Natur eines Notfalls, dass ein solcher nicht regelhaft, sondern äußerst selten oder gar nicht auftritt. Dementsprechend müssen weder die Besatzungsmitglieder noch der Kapitän außerhalb ihrer Dienstzeit fortwährend damit rechnen, zur Arbeit herangezogen zu werden. Dass ein Kapitän die Verantwortung für die Sicherheit der Besatzung und des Schiffes trägt und im Falle eines Notfalls in der Lage sein muss, dass Kommando des Schiffes zu übernehmen und entsprechende Rettungshandlungen einzuleiten, führt auch nicht dazu, dass er mit einem jederzeitigen Einsatz zu rechnen hat. Damit unterscheidet sich die Heranziehung zur Arbeit während des Bereitschaftsdienstes, mit der jederzeit zu rechnen ist, maßgeblich von der Heranziehung zur Arbeit in der Ausnahmesituation eines Notfalls. Letztere stellt keinen Bereitschaftsdienst dar.

Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11.04.2025

Aktenzeichen: See 1 Ca 180/23