Beziehung zwischen Vorgesetztem und Arbeitnehmerin – Betriebsrat durfte Chatverlauf weiterleiten
Der Mitarbeiter forderte von dem Betriebsratsvorsitzenden Schadensersatz in Höhe von 5.000 EUR wegen der – seiner Meinung nach rechtswidrigen – Weiterleitung des Chatsverlaufs und der daraud folgenden Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Als der Betriebsratsvorsitzende die Zahlung von Schadensersatz ablehnte, verklagte ihn der Mitarbeiter auf Zahlung des Schadensersatzes. Der Mitarbeiter behauptete im Prozess, dass er sich von Frau N. gütlich getrennt habe und dass ein Strafverfahren eingestellt worden sei. Die Tatsache, dass der Betriebsratsvorsitzende den intimen WhatsApp-Chatverlauf weitergeleitet und eine Strafanzeige ohne Rücksprache mit ihm und ohne – jedenfalls geschäftsordnungsmäßige – Befassung des Betriebsrats gestellt habe, habe letztlich zu seiner Freistellung und dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags geführt. Der Betriebsratsvorsitzende habe auch nicht in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied gehandelt, weshalb er sich nicht auf § 79a BetrVG berufen könne. Es habe kein datenschutzrechtlicher Erlaubnistatbestand gem. Art. 6 DSGVO für die Weitergabe bestanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 5.000 EUR abgewiesen.
Zu berücksichtigen war insbesondere, dass der Mitarbeiter der Vorgesetzte der Frau N. war, womit ein auf die private Beziehung einwirkendes Subordinationsverhältnis mit besonderer Anfälligkeit für einen potentiellen Machtmissbrauch eines von einer Frau zurückgewiesenen Mannes einherging. Der Chatverlauf zeigte ein erhebliches und mehrfach zurückgewiesenes Drängen des Mitarbeiters auf ein persönliches Treffen mit Frau N. und damit eine Situation, die zumindest potentiell aufgrund der auch beruflichen Verbindung des Mitarbeiters mit Frau N. in den Anwendungsbereich von § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Belästigung von Beschäftigten – fiel.
Das beharrliche Insistieren des Mitarbeiters löste das Recht von Frau N. aus, über den Mitarbeiter bei dem gemeinsamen Arbeitgeber eine Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG zu führen. In diesem Zusammenhang war zu berücksichtigen, dass das Beschwerderecht gemäß § 13 Abs. 1 AGG nicht nur besteht, wenn tatsächlich gegen das AGG verstoßen worden ist, sondern dass es bereits genügt, wenn der Beschäftigte – vorbehaltlich eines Missbrauchs des Beschwerderechts – meint, benachteiligt worden zu sein. Ob eine Benachteiligung gegeben war und gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen zu ergreifen sind, kann im Beschwerdeverfahren geklärt werden.
Parallel bestand ein Beschwerderecht der Frau N. gemäß § 84 Abs. 1 BetrVG. Danach hat jeder Arbeitnehmer das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Er kann ein Mitglied des Betriebsrats zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen (§ 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Nichts anderes gilt im Anwendungsbereich des Beschwerderechts gemäß § 13 Abs. 1 AGG, zumal bei Einreichung bei einer betrieblich unzuständigen Stelle eine Weiterleitung der Beschwerde an die zuständige Stelle zu erfolgen hat. Der Mitarbeiter hatte nicht behauptet, dass der Betriebsratsvorsitzende den Chatverlauf eigenmächtig, d.h. ohne Wunsch von Frau N., an die Personalabteilung weitergeleitet habe. Der Betriebsratsvorsitzende leistete Frau N. vielmehr Unterstützung in Wahrnehmung seines gesetzlichen Auftrags aus § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.
Gem. § 13 Abs. 2 AGG bleiben die Rechte der Arbeitnehmervertretungen von dem individuellen Beschwerderecht unberührt. Dies bedeutet, dass eine individuelle Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 AGG und § 84 Abs. 1 BetrVG ohne weiteres parallel zu einem kollektivrechtlichen Beschwerdeverfahren gemäß §§ 85 f. BetrVG geführt werden kann. Handelt ein Betriebsratsmitglied zur Unterstützung bei Führung einer individuellen Beschwerde gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, weist § 79a Satz 2 BetrVG die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit dem Arbeitgeber zu. Ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO gegen das Betriebsratsmitglied ist in diesem Fall ausgeschlossen.