Ausschlussfrist bei Benachteiligung wegen Schwerbehinderung und des Alters
Der Bewerber bewarb sich am 11.10.2019 auf die ausgeschriebene Stelle unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung. Mit Schreiben vom 04.02.2020 erhielt er eine Absage. Mit Schreiben vom 23.03.2020 verlangte der Bewerber unter Hinweis auf die Verpflichtung öffentlicher Arbeitgeber, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, Auskunft über „die Gründe der Abwägung insoweit … als es zur Ausräumung des Verdachts auf Diskriminierung erforderlich und sinnvoll ist …“.
Durch Schreiben vom 02.04.2020 teilte die Arbeitgeberin dem Bewerber mit, ausweislich seiner Bewerbungsunterlagen verfüge er weder über die Laufbahnbefähigung zum höheren nichttechnischen oder technischen Verwaltungsdienst noch über ein erfolgreich abgeschlossenes wissenschaftliches Masterstudium. Außerdem habe er keinen akkreditierten Studiengang absolviert. Infolgedessen habe es einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht bedurft. Eine Verpflichtung, die Ablehnung seiner Bewerbung näher zu begründen, habe angesichts der im Geschäftsbereich des Bundesverkehrsministeriums übererfüllten gesetzlichen Quote für die Beschäftigung schwerbehinderter und gleichgestellter Menschen nicht bestanden.
Der Bewerber verlangte daraufhin am 23.04.2020 Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 30.000 EUR wegen Diskriminierung aufgrund seiner Schwerbehinderung und aufgrund seines Alters geltend. Das Arbeitsgericht hatte die am 26.05.2020 eingegangene Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgerichts hatte dies bestätigt. Auf die Revision des Bewerbers hat das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Zwar lag, soweit der Bewerber Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung verlangt hatte, bereits keine fristgerechte Geltendmachung i.S.v. § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG vor. Er konnte seinen Entschädigungsanspruch deshalb nicht mehr erfolgreich auf eine Benachteiligung wegen dieses Grundes stützen. Hinsichtlich der behaupteten Benachteiligung wegen des Alters hatte der Bewerber, da er von den Umständen, die insoweit einen etwaigen Kausalzusammenhang belegt haben, erst später Kenntnis erlangt hatte, nicht nur die Frist für die außergerichtliche Geltendmachung eingehalten. Er hatte vielmehr auch die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt.
Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Nach § 61b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Sowohl bei der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG als auch bei der Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist mit der Folge, dass der Anspruch verfällt, wenn eine der Fristen nicht eingehalten worden ist.
Der Bewerber hatte durch das Ablehnungsschreiben vom 04.02.2020 Kenntnis von der Erfolglosigkeit seiner Bewerbung erlangt. Dabei setzt der Beginn der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG keine Kenntnis von der Motivlage des Arbeitgebers voraus. Der Bewerber hatte einen Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG erstmals durch das Schreiben vom 23.04.2020 geltend gemacht. Das Schreiben vom 23.03.2020 stellte inhaltlich keine Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs dar. Es enthielt insofern nicht typische Willenserklärungen. Eine inhaltlich ausreichende Geltendmachung lag zwar mit dem Schreiben des Bewerbers vom 23.04.2020 vor. Damit wurde die Zweimonatsfrist, gerechnet von dem Zeitpunkt des Zugangs des Ablehnungsschreibens an (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 i.V.m. § 193 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), aber nicht gewahrt.
Demgegenüber war der Anspruch des Bewerbers aus § 15 Abs. 2 AGG, soweit er geltend macht, die Arbeitgeberin habe ihn im Stellenbesetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt, nicht verfallen. Insoweit war sowohl die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG als auch die Klagefrist des § 61b ArbGG eingehalten. Beide Verfahrenshandlungen mündeten letztlich in der Nichtberücksichtigung der Bewerbung, was zu einem einheitlichen Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG führte. Die durch die Klageerhebung begründete Rechtshängigkeit war entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht zwischen erster und zweiter Instanz i.S.v. § 321 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) wieder entfallen. Das Landesarbeitsgericht hatte sich, unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung konsequent, nicht mit der Frage befasst, ob darin, dass die Arbeitgeberin nach ihrem eigenen Vorbringen die Bewerbung des Bewerbers mangels Akkreditierung seines Masterstudiengangs an der THW bzw. mangels dahin gehenden Nachweises nicht berücksichtigt hatte, eine den Kausalzusammenhang zwischen der Benachteiligung und dem Alter des Bewerbers belegende, mittelbare Altersdiskriminierung lag.