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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Headset-System als technische Überwachungseinrichtung: Mitbestimmung des Bertriebsrats

Headset-System als technische Überwachungseinrichtung: Mitbestimmung des Bertriebsrats

Ein Headset-System, das es den Vorgesetzten ermöglicht, die Kommunikation unter Arbeitnehmern mitzuhören, ist eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Arbeitnehmer i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bestimmt ist. Seine Einführung und Nutzung unterliegt auch dann der betrieblichen Mitbestimmung, wenn die Gespräche nicht aufgezeichnet oder gespeichert werden.

Eine Arbeitgeberin, die zu einem großen Bekleidungseinzelhandelskonzern gehört, dessen Obergesellschaft ihren Sitz in Dublin (Irland) hat, unterhält bundesweit zahlreiche Betriebe, darunter eine Filiale in D., in der mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dort ist ein (neunköpfiger) Betriebsrat gebildet. Die Arbeitgeberin hatte 2018 mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossen, um in den Filialen Headsets für die Mitarbeiter zwecks filialinterner Kommunikation einzuführen. Das Headset-System wird über ein Internetportal von der zentralen IT-Abteilung des Konzerns in Dublin bedient.

Die einzelnen Headset-Geräte können keinem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden. Sie werden vielmehr täglich nach dem „Zufallsprinzip“ aus dem Gerätepool bzw. der Ladestation entnommen und sind nach Arbeitsende dorthin zurückzulegen. Es wird weder durch das System selbst noch außerhalb von ihm überprüft oder aufgezeichnet, welcher Arbeitnehmer wann welches Gerät genutzt hat. Eine Übertragung in andere Filialen ist nicht möglich. Es besteht – jedenfalls für Führungskräfte und jeweils einen Arbeitnehmer in den Bereichen Kasse und Umkleidekabine sowie Aufräum- und Returnteam – eine Nutzungsverpflichtung. Soweit dies nicht der Fall ist, verwenden die Arbeitnehmer das System auf freiwilliger Basis.

Der Betriebsrat war der Ansicht, die Nutzung der Headsets unterliege seiner Mitbestimmung. Das Headset-System sei eine technische Einrichtung, die zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Arbeitnehmer geeignet sei. Da die Kommunikation nicht in andere Betriebe übertragen werde, sei er und nicht der Gesamtbetriebsrat für die Angelegenheit zuständig.

Die Vorinstanzen hatten die Notwendigkeit der Zustimmung verneint und die Anträge abgewiesen. Auch die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates vor dem Bundesarbeitsgericht blieb erfolglos.

Zwar unterliegt die Einführung und Anwendung des Headset-Systems der betrieblichen Mitbestimmung. Denn nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u.a. bei der Anwendung von technischen Einrichtungen mitzubestimmen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Das hier von der Arbeitgeberin eingeführte Headset-System ist mit seinen vorgegebenen Funktionen eine technische Einrichtung, die aufgrund ihrer Nutzungsmöglichkeiten dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen. Schließlich können die in der Filiale tätigen Führungskräfte damit die Kommunikation der anderen Arbeitnehmer, die ebenfalls ein Headset verwenden, jederzeit mithören. Der Überwachungsdruck besteht, auch ohne dass die Headsets einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden. Unerheblich ist auch, dass die Gespräche der Arbeitnehmer nicht aufgezeichnet oder gespeichert werden. Eine Aufzeichnung oder Speicherung der verhaltens- oder leistungsbezogenen Daten ist für den Vorgang einer „Überwachung“ nicht zwingend erforderlich. Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist bereits dann berührt, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt.

Das Mitbestimmungsrecht steht jedoch nicht dem (örtlichen) Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu. Das Headset-System ist im gesamten Unternehmen eingeführt worden und betrifft deshalb sämtliche Betriebe der Arbeitgeberin. Es besteht zudem ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche Regelung. Das System wird über ein Portal von den Arbeitnehmern der IT-Zentrale in Dublin einheitlich betreut und gewartet. Der Betrieb in D. verfügt über keine eigene IT-Abteilung. Es war auch nicht ersichtlich, dass es – technische und personelle – Möglichkeiten gäbe, die Aufgaben des Helpdesks jeweils in den einzelnen Filialen vor Ort wahrzunehmen.

An dem zwingenden Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche Regelung änderte auch der Umstand nichts, dass die durch die technische Einrichtung begründete Überwachungsmöglichkeit – die Kenntnis der dienstlichen Kommunikation einzelner Arbeitnehmer und ihre Individualisierung durch ihre Vorgesetzten – lediglich auf der jeweiligen betrieblichen Ebene besteht. Zwar können die im Internet-Portal ablesbaren Daten in der IT-Abteilung in Dublin nicht den einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden. Das Headset-System, das in den Betrieben der Arbeitgeberin zum Einsatz kommen soll, besteht aber nicht nur aus der Hard-, sondern auch aus der damit verbundenen Software. Hierzu gehört – untrennbar – das Portal, das vom Anbieter zur Verfügung gestellt wird. Damit handelt es sich um eine einheitliche technische Einrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und folglich eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit, die insgesamt der Mitbestimmung unterliegt.

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 16.07.2024

Aktenzeichen: 1 ABR 16/23