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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Inflationsausgleichsprämie auch für Langzeiterkrankte?

Inflationsausgleichsprämie auch für Langzeiterkrankte?

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat es für zulässig gehalten, einen Arbeitnehmer von der Inflationsausgleichsprämie auszunehmen, weil dieser im gesamten Jahr keine Arbeitsleistung erbracht hatte, da er arbeitsunfähig erkrankt war. Eine Inflationsausgleichsprämie könne als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung ausgestaltet werden. Es sei daher möglich, die Prämie unter die Voraussetzung zu stellen, dass die Arbeitnehmer im betreffenden Jahr einen Anspruch auf arbeitsleistungsbezogene Vergütung hatten. Darin liege keine sachfremde Gruppenbildung, urteilte das Gericht.

Ein Arbeitnehmer stritt mit seinem Arbeitgeber über eine Inflationsausgleichsprämie. Der Mitarbeiter ist seit 1980 in Vollzeit bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Er erbrachte im gesamten Jahr 2023 keine Arbeitsleistung, weil er arbeitsunfähig erkrankt war. Die Arbeitgeberin leistete in diesem Jahr keine Entgeltfortzahlung. Der Mitarbeiter bezog vielmehr Krankengeld. Rückwirkend zum 02.03.2022 wurde ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.

Zusammen mit der Vergütung für März 2023 zahlte die Arbeitgeberin an ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine Inflationsausgleichsprämie (nachfolgend: IAP) in Höhe von 1.500 EUR netto. Die Zahlung erfolgte ausschließlich dann, wenn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auch eine Vergütung für geleistete Arbeit im Jahr 2023 bezogen. An Arbeitnehmer wie den Mitarbeiter, die aufgrund einer Langzeiterkrankung keine Arbeitsleistung erbrachten und die durch Entgeltersatzleistungen wie z.B. Krankengeld abgesichert waren, zahlte sie dagegen keine IAP.

Der Mitarbeiter vertrat die Auffassung, ihm stehe die IAP zu. Eine Unterscheidung dahingehend, ob das Arbeitsverhältnis ruhe, weil man arbeitsunfähig sei oder ob man arbeite, sei bezüglich der Inflationsausgleichsprämie nicht möglich.

Das Arbeitsgericht wies die Zahlungsklage des Mitarbeiters ab. Das Landesarbeitsgericht wies seine Berufung zurück.

Dem Mitarbeiter stand kein Anspruch auf eine IAP zu. Er hatte den Zahlungsanspruch ausschließlich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt. Dessen Voraussetzungen lagen jedoch nicht vor.

Unstreitig hatte die Arbeitgeberin an alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine IAP in Höhe von 1.500 EUR bezahlt, dem Mitarbeiter jedoch nicht. Sie hat den Mitarbeiter daher aus einer Gruppe von vergleichbaren und vorteilhaft behandelten Personen ausgenommen. Denn der Mitarbeiter ist ebenso wie allen anderen Begünstigten Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Sie durfte die Leistung der IAP jedoch unter die Voraussetzung stellen, sie nur solchen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu zahlen, die einen Anspruch auf arbeitsleistungsbezogene Vergütung hatten. Darin liegt keine sachfremde Gruppenbildung.

Die Arbeitgeberin hatte die IAP als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung ausgestaltet. Sie hatte unbestritten vorgetragen, dass alle Arbeitnehmer, die „einen“ Verdienst für geleistete Arbeit im Jahr 2023 erzielt haben, anspruchsberechtigt waren. Arbeitnehmer, denen sie keine Vergütung für Arbeitsleistung – auch nicht im Sinne von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) – schuldete, erhielten auch keine IAP. Damit waren nur Arbeitnehmer von der IAP ausgeschlossen, die im gesamten Jahr 2023 gar keine Arbeitsleistung erbracht und keinerlei Entgeltleistungen von der Arbeitgeberin erhalten haben. Arbeitnehmer, die nicht für das ganze Jahr Entgelt bezogen haben, aber immerhin teilweise, hätten einen Anspruch. Es konnte dahinstehen, wie es sich konkret ausgewirkt hätte, wenn der Mitarbeiter nicht das ganze Jahr arbeitsunfähig mit Krankengeldbezug gewesen wäre und in welcher Höhe ihm ein Teilanspruch zugestanden hätte, wenn er im Laufe des Jahres 2023 seine Arbeitsleistung wieder hätte erbringen können. Denn der Mitarbeiter hatte das ganze Jahr Krankengeld bezogen, so dass auch ein Anspruch auf eine gekürzte IAP nicht in Betracht kam.

Grundsätzlich darf ein Arbeitgeber eine Sonderzahlung an die Voraussetzung knüpfen, dass in dem Zeitraum, für den die Zahlung geleistet wird, Arbeit erbracht wird. Es handelt sich dann um Arbeitsentgelt für geleistete Arbeit, das zu einem anderen Zeitpunkt fällig wird als das übliche Entgelt. Für den Fall, dass keine Arbeit oder nur teilweise Arbeit geleistet wird, ist dann auch der Anspruch auf die zusätzliche Zahlung nicht bzw. nur teilweise entstanden, und zwar auch dann, wenn keine Kürzungsregelung vereinbart ist.

Der Ausgestaltung der IAP als arbeitsleistungsbezogenes Entgelt steht auch der gesetzgeberische Zweck nach § 3 Nr. 11c Einkommensteuergesetz (EStG) nicht entgegen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist anhängig beim Bundesarbeitsgericht unter dem Az: 10 AZR 240/24.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14.08.2024

Aktenzeichen: 10 Sa 4/24