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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Wunsch nach „erster Führungserfahrung“ in Stellenausschreibung ist kein Indiz für Altersdiskriminierung

Wunsch nach „erster Führungserfahrung“ in Stellenausschreibung ist kein Indiz für Altersdiskriminierung

Der Text „erste Führungserfahrung“ in einer Stellenausschreibung verweist nicht auf einen bestimmten Lebenszeitkorridor und stellt somit kein vermutungsbegründendes Indiz für eine Benachteiligung wegen des Alters dar.

Ein Bewerber stritt mit einer Arbeitgeberin um einen Entschädigungsanspruch, den der Bewerber mit der Auffassung geltend machte, die Arbeitgeberin habe ihn wegen seines Alters diskriminiert. Die Arbeitgeberin suchte per Stellenausschreibung eine/n Managementtrainer/-in mit Vertriebsverantwortung (m/w/d).

Der 56jährige Bewerber nahm nach Erhalt des Ablehnungsschreiben insbesondere Anstoß an der Formulierung in der Stellenanzeige, wonach „erste Erfahrungen in Führungspositionen“ erwünscht seien. Durch diese Vorgabe habe die Arbeitgeberin einen gewünschten Alterskorridor vorgegeben, wonach die Bewerber ca. 38-42 Jahre alt sein sollten, während alle übrigen Bewerber, die also entweder jünger als der Zielkorridor oder – wie er – älter seien, direkt aus dem Bewerbungsverfahren aussortiert würden. Jüngere Bewerber könnten in den deutschen stark von Hierarchie geprägten Unternehmen noch über keine Erfahrungen in Führungspositionen verfügen, dafür seien das Zeigen von Leistungen und zumindest mehrere Jahre Berufserfahrung Voraussetzung. Ältere Bewerber wie er würden nicht in die engere Wahl einbezogen werden, weil diese bereits über eine langjährige Berufserfahrung in Führungspositionen verfügten.

Eingeklagt wurden ca. 10.000 EUR Schadensersatz. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Auch die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht blieb erfolglos. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Der Bewerber hatte keinen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzanspruchs aus § 15 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag, denn es fehlte an der für diese Anspruchsgrundlage notwendigen Voraussetzung einer Diskriminierung. Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden. Einer der in § 1 AGG genannten Gründe ist das Alter.

Der Bewerber hatte zwar eine Maßnahme der Arbeitgeberin dargestellt, die sich für ihn als nachteilig erwies, nämlich das auf seine Bewerbung ihm zugesandte Ablehnungsschreiben. Es waren aber keine Tatsachen erkennbar, aus denen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden könnte, dass im Motivbündel der Beklagten ein verpöntes Merkmal, also ein nach §§ 1, 7 AGG verbotenes Differenzierungskriterium, hier insbesondere das Alter, eine Rolle gespielt hätte. Die bloße Gleichzeitigkeit eines verpönten Merkmals mit einer nachteiligen Behandlung reicht als Indiztatsache im Sinne des § 22 AGG nicht aus.

Die Formulierung „erste Erfahrung in Führungspositionen“ knüpft weder unmittelbar noch mittelbar an das Alter einer Person an. Erste Führungserfahrung können in jedem Alter gemacht werden. Es gibt auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach in deutschen Unternehmen erste Führungserfahrungen erst nach mehreren Jahren gesammelt werden können. Die Formulierung verweist nicht auf einen bestimmten Lebenszeitkorridor. Insbesondere der vom Bewerber bezeichnete Zeitraum „38 bis 42 Lebensjahre“ findet keine erkennbare Wurzel in der Lebenswirklichkeit. Eine 18-jährige Soldatin kann als Gruppenführerin erste – möglicherweise sogar sehr intensive – Führungserfahrung behaupten dürfen; ein 60-jähriger, der 40 Jahre Selbständigkeit hinter sich hat und seit einem Jahr im Angestelltenverhältnis mit 5 Mitarbeitenden tätig ist, hat unter dem Blickwinkel „Führungserfahrung“ nicht mehr zu bieten, aber gerade dies: erste Führungserfahrung.

Es fehlte nach alledem bereits an einem Indiz für eine Diskriminierung im Sinne des § 22 AGG. Ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG schied daher aus.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln von 20.06.2024
Aktenzeichen:  6 Sa 632/23