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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Geschlechtsspezifische Benachteiligung beim Gehalt

Geschlechtsspezifische Benachteiligung beim Gehalt

Die Klage einer Arbeitnehmerin auf höheres Arbeitsentgelt war vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg nur in Höhe der Differenz der Mediane der männlichen und weiblichen Vergleichsgruppe erfolgreich. Art. 157 AEUV bzw. § 3 Abs. 1, § 7 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ließen nicht irgendein Indiz i.S.v. § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für eine geschlechtsbedingte Vergütungsdiskriminierung ausreichen, um einen Anspruch auf den maximal denkbaren Differenzbetrag zu begründen. Vielmehr müsse ein Indiz gerade für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung in einer ganz bestimmten Höhe bestehen, urteilte das Gericht.

Das Gericht sprach der Angestellten eines im Großraum Stuttgart ansässigen Unternehmens die von ihr unter Berufung auf das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz eingeklagte höhere Vergütung für die Jahre 2018 bis 2022 teilweise zu. In Teilen erfolgreich war die Mitarbeiterin, die im streitigen Zeitraum in hälftiger Teilzeit auf der dritten Führungsebene des Unternehmens tätig war, im Hinblick auf die Gehaltsbestandteile Grundgehalt, Company Bonus, Pension One-Kapitalbaustein sowie virtuelle Aktien nebst Dividendenäquivalente. Insgesamt wurden der Mitarbeiterin von den eingeklagten rund 420.000 EUR brutto ca. 130.000 EUR brutto für fünf Jahre zugesprochen. Das Arbeitsgericht hatte der Klage in erster Instanz noch in weiterem Umfang stattgegeben.

Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Zudem ist dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Hintergrund des EntgTranspG sind Bestimmungen aus dem Recht der Europäischen Union. Art. 157 Abs. 1 AEUV verlangt, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten.

Die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt, darunter insbesondere deren Art. 2 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4, werden von der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 157 AEUV miterfasst. Deshalb sind § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG entsprechend den Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG und im Einklang mit Art. 157 AEUV unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unionsrechtskonform auszulegen.

Zudem gebietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Im hiesigen Fall lag das individuelle Entgelt der Mitarbeiterin sowohl unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe als auch unterhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe der dritten Führungsebene.

Die Mitarbeiterin verlangte mit ihrer Klage primär die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Entgelt eines von ihr namentlich benannten männlichen Vergleichskollegen bzw. des weltweit bestbezahlten Kollegen der dritten Führungsebene, hilfsweise die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe.

Nach richterlicher Gesamtwürdigung aller Umstände war hier lediglich ein hinreichendes Indiz für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung in Höhe der Differenz des männlichen zum weiblichen Medianentgelt gegeben. Art. 157 AEUV bzw. § 3 Abs. 1, § 7 EntgTranspG lassen nicht irgendein Indiz i.S.v. § 22 AGG für eine geschlechtsbedingte Vergütungsdiskriminierung ausreichen, um einen Anspruch auf den maximal denkbaren Differenzbetrag zu begründen. Vielmehr muss ein Indiz gerade für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung in einer ganz bestimmten Höhe bestehen. Da im vorliegenden Fall feststand, dass die Vergütung des zum Vergleich herangezogenen Kollegen oberhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe und die Vergütung der Mitarbeiterin zudem unterhalb des von der Arbeitgeberin konkret bezifferten Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe lag, bestand keine hinreichende Kausalitätsvermutung dahingehend, dass die volle Differenz des individuellen Gehalts der Mitarbeiterin zum Gehalt des namentlich benannten männlichen Kollegen bzw. dem Median der männlichen Vergleichsgruppe auf einer geschlechtsbedingten Benachteiligung beruhte.

Einen Anspruch auf Anpassung „nach ganz oben“ konnte die Mitarbeiterin auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen (entgegen Landesarbeitsgericht Düsssledorf, Urt. v. 20.04.2023, Az. 13 Sa 535/22). Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist bei Differenzierungen innerhalb der begünstigten Gruppe auf den Durchschnittswert gerichtet (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 23.02.2011, Az. 5 AZR 84/10).

Es war der Arbeitgeberin schließlich nicht gelungen, eine Rechtfertigung der verbleibenden Ungleichbehandlung etwa anhand der Kriterien „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ oder „Arbeitsqualität“ konkret darzulegen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 01.10.2024

Aktenzeichen: 2 Sa 14/24