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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Krankenschwester nicht geimpft: Keine Entgeltfortzahlung wegen Krankheit

Krankenschwester nicht geimpft: Keine Entgeltfortzahlung wegen Krankheit

Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt darf nicht bereits aufgrund anderer Ursachen entfallen. Diese Grundsätze gelten ebenso, wenn durch das Gesundheitsamt nach § 20a Abs. 5 Satz 3 Infektionsschuztzgesetz (IfSG) alte Fassung ein Verbot erlassen wird, wonach dem Arbeitnehmer untersagt wird, seine Tätigkeit in der Einrichtung/dem Unternehmen auszuüben und der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt.

Eine Mitarbeiterin war seit Mai 2011 als Krankenschwester in einem Krankenhaus beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach den „Vorschriften der Kirchlichen Arbeitsvertragsordnung für Angestellte (BAT-KF)“. Die Mitarbeiterin war nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft. Am 30.05.2022 forderte das Gesundheitsamt der Stadt Essen sie auf, bis zum 07.06.2022 einen Nachweis nach § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG a.F. vorzulegen. Dem kam die Mitarbeiterin nicht nach. Am 20.06.2022 teilte das Gesundheitsamt mit, dass in einem nächsten Schritt von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werde, gegen sie ein Tätigkeitsverbot und/oder Betretungsverbot für die Einrichtung der Arbeitgeberin zu erlassen. Hierauf machte die Mitarbeiterin geltend, dass Impfungen weder dem Eigen- noch dem Fremdschutz nutzen würden.

Mit einer bestandskräftigen Ordnungsverfügung vom 06.09.2022 untersagte das Gesundheitsamt der Mitarbeiterin nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG a.F. ab sofort bis zur Vorlage eines entsprechenden Nachweises die Tätigkeit in der Einrichtung der Arbeitgeberin sowie das Betreten der Einrichtung zum Zwecke der Verrichtung der Tätigkeit. Am Tag der Zustellung (08.09.2022) erschien die Mitarbeiterin nicht zur Frühschicht, weil sie arbeitsunfähig erkrankt war. Am 09.09.2022 stellte ihr Hausarzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 08.09. bis zum 23.09.2022 aus. Danach legte sie der Arbeitgeberin drei weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Insgesamt war sie vom 08.09. bis zum 02.11.2022 aufgrund der Diagnose einer gesicherten Anpassungsstörung arbeitsunfähig erkrankt.

Ab dem 28.11.2022 arbeitete die Mitarbeiterin wieder. Die Arbeitgeberin zahlte zunächst für die Zeit vom 08.09. bis zum 02.11.2022 keine Vergütung. Im Januar 2023 forderte die Mitarbeiterin die Arbeitgeberin erfolglos zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf. Mit den Bezügen für den Monat Juli 2023 leistete die Arbeitgeberin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den 08.09. und 09.09.2022. Die Mitarbeiterin forderte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 10.09. bis zum 19.10.2022. Sie war der Ansicht, der Grundsatz der Monokausalität komme vorliegend nicht zur Anwendung, ihre Erkrankung sei aufgrund des Zeitablaufs chronologisch vorrangig. Wegen ihrer Erkrankung ab dem 08.9.2022 sei für sie die Möglichkeit der Impfung ausgeschlossen gewesen.

Die Klage des Mitarbeiterin blieb in allen Instanzen erfolglos.

Der Mitarbeiterin stand für die Zeit vom 10.09. bis zum 19.10.2022 kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 6 des Bundes-Angestellten-Tarifvertrags in kirchlicher Fassung BAT-KF (im Folgenden BAT-KF) zu.

Zwar war die Mitarbeiterin im Streitzeitraum arbeitsunfähig erkrankt. Dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung stand aber der Grundsatz der Monokausalität entgegen. Die Mitarbeitern war bereits aufgrund der Ordnungsverfügung des Gesundheitsamts der Stadt Essen vom 06.09.2022 an der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung gehindert. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt darf nicht bereits aufgrund anderer Ursachen entfallen.

Anders als in den bereits vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen von Arbeitnehmern, die sich infolge einer ansteckenden Krankheit aufgrund einer hierauf bezogenen behördlichen Anordnung in häusliche Isolierung (Quarantäne) begeben mussten und dort ihre Arbeitsleistung nicht erbringen konnten (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.03.2024, Az. 5 AZR 234/23 und Az. 5 AZR 235/23) war hier der Kausalzusammenhang nicht gewahrt, weil das behördliche Verbot nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG a.F. seinerseits nicht unmittelbare Folge der Erkrankung war, sondern auf der fehlenden Vorlage eines Nachweises nach § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG a.F. beruhte. Es war ein weiterer, paralleler Umstand, der für sich allein gesehen Grund der Arbeitsverhinderung war.

Es kam auch nicht darauf an, ob die Mitarbeiterin bereits vor Zugang oder erst nach Zugang der Ordnungsverfügung am 08.09.2022 erkrankt war, denn mit deren Zugang wäre ein zuvor bestehender Anspruch auf Entgeltfortzahlung erloschen, weil die Mitarbeiterin die vertraglich geschuldete Leistung aufgrund des behördlichen Verbots nicht mehr hätte erbringen können. Mit dem Wirksamwerden des Tätigkeits- und Betretungsverbots wäre eine zuvor bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht mehr die alleinige und ausschließliche Ursache für den Arbeitsausfall und damit den Verlust des Vergütungsanspruchs gewesen.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.06.2024

Aktenzeichen: 5 AZR 241/23