Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach einer Elternzeit
Ab dem 24.08.2015 befand sich die seinerzeit mit ihrem ersten Kind schwangere Mitarbeiterin im Mutterschutz. Zu diesem Zeitpunkt stand ihr noch ein Arbeitstag Urlaub aus dem laufenden Jahr zu. Im unmittelbaren Anschluss an die Mutterschutzfrist nahm sie Elternzeit in Anspruch. Daran schlossen sich nahtlos die Mutterschutzfristen anlässlich der Geburt eines weiteren Kindes an, nach deren Ablauf die Mitarbeiterin Elternzeit bis zum 25.11.2020 nahm. Mit Schreiben vom 08.07.2020 kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis zum Ablauf der Elternzeit.
Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte die Arbeitgeberin nicht erklärt, den auf die Elternzeit bezogenen Urlaub zu kürzen. Mit Schreiben vom 15.03.2021 forderte die Mitarbeiterin die Arbeitgeberin unter Fristsetzung bis zum 31.03.2021 vergeblich auf, den Resturlaub aus den Jahren 2015 bis 2020 abzugelten. Daraufhin forderte sie gerichtlich die Abgeltung von insgesamt 146 Arbeitstagen Urlaub aus den Jahren 2015 bis 2020 in Höhe von insgesamt 24.932 EUR brutto. Die Mitarbeiterin war der Ansicht, die Urlaubsansprüche seien während der Mutterschutzfristen und der Elternzeit in voller Höhe entstanden. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne die Arbeitgeberin den Urlaub nicht mehr kürzen.
Die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2015 bis 2020, deren Abgeltung die Mitarbeiterin begehrte, waren nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG findet während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und der Elternzeit keine Anwendung. § 24 Satz 2 MuSchG, demzufolge die Arbeitnehmerin den vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhaltenen Erholungsurlaub auch noch nach Ablauf der Verbote im laufenden Jahr oder im Folgejahr nehmen kann, steht einem Verfall von Urlaub während der Mutterschutzfristen entgegen. Die Vorschrift regelt das für das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG maßgebliche Urlaubsjahr (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 09.08.2016, Az. 9 AZR 575/15). Während der Elternzeit gehen die gesetzlichen Sonderregelungen in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BEEG den allgemeinen Befristungsregelungen in § 7 Abs. 3 BUrlG vor (vgl. Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 05.07.2022, Az. 9 AZR 341/21 und vom 19.03.2019, Az. 9 AZR 495/17). Der Urlaub muss weder nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG im laufenden Kalenderjahr noch nach § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BUrlG in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden.
Die Urlaubsansprüche der Mitarbeiterin bestanden danach wegen der nahtlos aneinander anschließenden Mutterschutzfristen und Elternzeiten nach dem Ende der zweiten Elternzeit fort. An die Mutterschutzfrist nach der Entbindung ihres ersten Kindes schloss sich eine Elternzeit an und sodann eine erneute Mutterschutzfrist anlässlich der bevorstehenden Entbindung ihres zweiten Kindes. Die auf die Mutterschutzfrist nach der Entbindung folgende Elternzeit dauerte bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 25.11.2020. Die Urlaubsansprüche waren auch nicht aufgrund einer Kürzungserklärung der Arneitgeberin gemäß § 17 Abs. 1 BEEG teilweise untergegangen. Der Arbeitgeberin stand nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr das Recht zu, die auf die Elternzeit entfallenden Urlaubsansprüche zu kürzen.
Infolgedessen hatte die Arbeitgeberin den der Mitarbeiterin zustehenden Urlaub, der auf die Zeiträume ihrer Elternzeiten entfiel, nicht wirksam gekürzt. Im bestehenden Arbeitsverhältnis hatte sie keine Kürzungserklärung abgegeben. Im anhängigen Rechtsstreit konnte sie sich dann nicht mehr auf ihr Kürzungsrecht berufen. Die Arbeitgeberin war auch nicht nach § 214 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigt, die Abgeltung des Urlaubs aus den Jahren 2015 bis 2017 wegen Eintritts der Verjährung zu verweigern. Denn die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht abgelaufen.