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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Befristete Arbeitszeiterhöhung kann rechtswidrig sein

Befristete Arbeitszeiterhöhung kann rechtswidrig sein

Das systematische Angebot des Arbeitgebers, unbefristet grundsätzlich nur Teilzeit-Stellen anzubieten, befristet jedoch die Arbeitszeit auf eine Vollzeit-Stelle zu erhöhen, deren Verlängerung nach qualitativen und quantitativen Leistungskriterien sowie den Abwesenheitszeiten und der Bereitschaft zur Übernahme von Zusatzdiensten „verdient“ werden kann, stellt keinen geeigneten Sachgrund für eine Angemessenheitskontrolle einer befristeten Arbeitszeiterhöhung i.S.d. § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar.

Ein Mitarbeiter ist seit Dezember 2020 als „Call Center Agent Bürgerdienste“ im „Front Office“ der beklagten Stadt beschäftigt. Diese hat über eine Million Einwohner und beschäftigt mehr als 100 Mitarbeiter in ihrem Front Office. Im Bereich des Front Office ist es üblich, dass Neueinstellungen zwar unbefristet vorgenommen werden, die Einstellung jedoch nur mit einem begrenzten Teilzeit-Stundenumfang und nicht mit einem Vollzeit-Stundenumfang erfolgt. Es erfolgt sodann zunächst eine befristete Arbeitszeiterhöhung für Schulung und Einarbeitung. Alsdann erfolgt eine zweijährige befristete Erhöhung der Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle. Bei Ablauf der zweijährigen Befristungszeit prüft die Arbeitgeberin, ob sich der Arbeitnehmer „bewährt“ hat. Darüber hinaus wird berücksichtigt, ob der Mitarbeiter bereit war, Zusatzdienste zu leisten und ob die Abwesenheitszeiten nicht zu hoch waren.

Der Mitarbeiter startete mit einem Arbeitszeitumfang von 64,95% einer Vollzeitbeschäftigung = 25,33 Stundenwoche. Zugleich erfolgte bereits mit Wirkung ab Beschäftigungsbeginn 01.12.2020 eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit, zunächst auf 30,39 Wochenstunden. Ab dem 01.09.2021 vereinbarten die Parteien eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit auf 100% = 39 Wochenarbeitsstunden, befristet bis 31.08.2022. Für die nächsten beiden Jahre folgten wesensgleiche Befristungen.

Der Mitarbeiter wurde von der Arbeitgeberin intern mit der Note „5“ für seine Produktivität und mit der Note „3“ für die Qualität seiner Arbeitsergebnisse bewertet. Er war im Bewertungszeitraum an 93 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Die Arbeitgeberin bot dem Mitarbeiter keine unbefristete Erhöhung seiner Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle an, sondern lediglich die zuletzt vereinbarte befristete Erhöhung der Arbeitszeit, nochmals befristet bis zum 31.08.2024.

Der Mitarbeiter hielt die Befristung der Arbeitszeiterhöhung für rechtswidrig und erhob Klage beim Arbeitsgericht. Das Gericht gab ihm überwiegend Recht.

Die Befristung der Arbeitszeiterhöhung des Mitarbeiters war rechtsunwirksam.

Erreicht die befristete Aufstockung der Arbeitszeit einen erheblichen Umfang, kann eine solche Regelung nur dann keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB darstellen, wenn ein Sachgrund gegeben ist, der auch eine Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt nach § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) rechtfertigen würde. Andernfalls würde eine unzulässige Umgehung des gesetzlichen Befristungsrechts drohen, indem, der „Grund-Arbeitsvertrag“ nur mit einem geringen Stundenanteil geschlossen wird, faktisch jedoch eine Vollzeittätigkeit ausgeübt wird, deren „Verlängerung“ sich der Arbeitgeber jedoch regelmäßig erneut vorbehält. Von einem erheblichen Umfang einer Arbeitszeiterhöhung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszugehen, wenn sich das Aufstockungsvolumen auf mind. 25% einer Vollzeitbeschäftigung beläuft.

Infolgedessen erwies sich die streitgegenständliche Befristung der Aufstockung des Arbeitszeitvolumens auf eine Vollzeitstelle als unangemessen und damit rechtsunwirksam nach § 307 Abs. 1 BGB. Die Erhöhung der Arbeitszeit war erheblich, da sie mehr als 25% einer Vollzeitbeschäftigung ausmachte. Mithin hätte es für ihre Rechtfertigung eines Sachgrundes bedurft, an dem es hier jedoch fehlte. Bei der Tätigkeit des Mitarbeiters im „Front Office“ handelt es sich um eine Dauer-Aufgabe, die nicht nur vorrübergehend anfällt. Der Sachgrund des nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG war damit gerade nicht gegeben. Die beklagte Stadt beschäftigt schon allein aufgrund ihrer Größe dauerhaft eine Vielzahl von Mitarbeitern im „Front Office“ der Bürgerdienste.

Der Wunsch der Arbeitgeberin, dass sich die Mitarbeiter ständig neu bewähren sollen und möglichst auch krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten vermeiden sollen, war als Sachgrund für eine Befristung ebenfalls nicht geeignet. Denn es ist gerade Sinn und Zweck des gesetzlichen Befristungsrechts, dass dem Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer insofern der Vorrang eingeräumt wird und eine Befristung eines Arbeitsvertrages allein aus dem Grund, dass sich ein Arbeitnehmer ständig neu bewähren und für eine Verlängerung empfehlen soll und eine Verlängerung gerade nicht erfolgt, wenn etwa bestimmte Abwesenheitszeiten überschritten werden, gesetzlich gerade nicht als Sachgrund für eine Befristung von Arbeitsverhältnissen anerkannt ist. Nichts anderes kann auch für eine befristete Erhöhung von Arbeitszeit gelten, da ansonsten das gesetzliche Befristungsrecht umgangen würde.

Die Klage war allerdings abzuweisen, soweit der Mitarbeiter die gerichtliche Feststellung begehrt hatte, dass eine bestimmte Arbeitszeitregelung „über den 31.08.2024 hinaus“ gelten solle. Dieser Zeitpunkt lag zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Zukunft. Ein derartiger Blick in die Zukunft ist dem Gericht nicht möglich.

Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.04.2024

Aktenzeichen: 8 Ca 423/24