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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Keine Zurückweisung der Kündigung mangels Originalvollmacht wegen Verwirkung

Keine Zurückweisung der Kündigung mangels Originalvollmacht wegen Verwirkung

Versäumt der gekündigte Mitarbeiter nicht nur die dreiwöchige Klagefrist gem. § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), sondern nimmt er darüber hinaus auch noch die später erhobene Kündigungsschutzklage zurück, so hat er das Recht verwirkt, sich später auf die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu berufen. Damit liegen beide Voraussetzungen der Verwirkung, das Zeitmoment und das Umstandsmoment, vor.

Ein Mitarbeiter war seit dem 01.02.2022 in Teilzeit bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Mit Schreiben vom 19.02.2022, einem Samstag, das dem Mitarbeiter am gleichen Tag persönlich übergeben wurde, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 07.03.2022 „innerhalb der Probezeit“. Dem Kündigungsschreiben war ein weiteres Schreiben (wohl in Kopie) mit dem Datum vom 18.05.2021 beigefügt, das von beiden Geschäftsführern der Arbeitgeberin unterzeichnet war. Darin wurden die Mitarbeiter/innen darüber informiert, dass der Hausleiter, Herr A. S. berechtigt ist, selbständig Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen.

Der Mitarbeiter wies die Kündigung mit Schreiben vom 23.02.2022 mangels Vorlage einer Originalvollmacht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 174 BGB zurück. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis abermals mit Schreiben vom 08.03.2022 zum 23.03 2022. Dabei wich das Schriftbild unter der zweiten Kündigung deutlich von dem der ersten Kündigung ab.

Mit seiner seit 05.03.2022 beim Arbeitsgericht anhängigen Klage wandte sich der Mitarbeiter gegen beide Kündigungen. Nach einem Hinweis des Arbeitsgerichts, dass die Klage gegen die erste Kündigung nach dem Maßstab des § 4 KSchG zu spät erhoben worden sei, nahm der Mitarbeiter mit Schriftsatz vom 14.11.2022, also weitere sechs Wochen später, den Antrag aus der Klageschrift, mit dem er sich gegen die Kündigung vom 19.02.2022 gewandt hatte, zurück. Daraufhin beantragte er, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 08.03.2022, zugegangen am 09.03.2022, nicht aufgelöst worden war.

Das Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass das Arbeitsverhältnis tatsächlich aufgrund der fristgerechten Probezeit-Kündigung der Arbeitgeberin vom 19.02.2022 zum 07.03.2022 beendet worden sei.

Auf die Berufung des Mitarbeiters bestätigte das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Der Mitarbeiter hatte keinen Anspruch auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 08.03.2022 nicht beendet worden war, denn das Arbeitsverhältnis hatte bereits einen Tag zuvor, am 07.03.2022, sein Ende gefunden. Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage war die Frage, ob die angegriffene Kündigung ein Arbeitsverhältnis auflösen konnte, das bei ihrem Zugang noch bestanden hat (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 18.12.20214, Az. 2 AZR 163/14). Hier hatte das Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden und die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 08.03.2022 war daher unbegründet.

Unerheblich war, ob die Kündigung unter einem formal- oder materiell-rechtlichen Mangel gelitten hat. Jedenfalls hatte der Mitarbeiter das Recht, sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung zu berufen, nach dem Maßstab des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verwirkt. Der Mitarbeiter hatte nämlich nicht nur die Klagefrist des § 4 KSchG verstreichen lassen, er hatte also nicht nur durch Nichtstun eine gesetzliche Fiktion, die rückwirkend geltende Wirksamkeit der Kündigung, eintreten lassen; an dieser Stelle hätte noch über die Frage gestritten werden können, ob § 4 KSchG auch für Fälle des § 174 BGB gilt (wohl inzwischen bestätigend: Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 20.05.2021, Az. 2 AZR 596/20). Sondern er hatte zusätzlich aktiv durch die Abgabe der besagten Prozesserklärung dem Gericht und der gegnerischen Prozesspartei zum Ausdruck gebracht, dass er sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 19.02.2022 nicht mehr wehren werde.

Es ging hier also nicht um einen Fall der Fristversäumnis oder der Klagerücknahme sondern es ging um den kumulativen Fall der Fristversäumnis und der Klagerücknahme. Damit lagen beide Voraussetzungen der Verwirkung, das Zeitmoment und das Umstandsmoment, vor. Der Mitarbeiter hatte nicht nur die drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG verstreichen lassen (Zeitmoment), sondern er hatte zusätzlich durch die Klagerücknahme die Rechtsfolge des § 7 KSchG noch einmal bestätigend ausgelöst (Umstandsmoment).

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 02.05.2024

Aktenzeichen: 6 Sa 274/23