Zwangsvollstreckung eines Anspruchs auf Weiterbeschäftigung
Die Aufgaben eines Produktionsleiters umfassen entsprechend einer Stellenbeschreibung vom 19.12.2018 folgende Punkte:
- eingehende Aufträge zu bearbeiten, Vorgaben auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen, Produktionsaufträge umzusetzen;
- Materialdisposition und Abgleich mit Lagerbeständen;
- Kontrolle von Vorgaben der Entwicklung und Konstruktion, Erstellen von Arbeitsanweisungen mit Fotodokumentation in Zusammenarbeit mit Entwicklung und Qualitätssicherung;
- Kontrollieren, Abgleichen und Freigeben von Produkt- und Produktionsunterlagen wie z.B. Zeichnungen, Stücklisten, Produktionsaufträgen;
- Herstellen von Mustern und Prototypen mit entsprechender Dokumentation und Materialdisposition, Kontinuierliche Optimierung von Produktionsprozessen.
Die Parteien einigten sich in der Folgezeit auf einen Arbeitsbeginn des Mitarbeiters zum 23.10.2023. Microsoft Office sowie ein Internetzugang wurden ihm erst ab dem 09.11.2023 zur Verfügung gestellt, zuvor wurde ihm eine ODT-Software zur Verfügung gestellt. Zunächst hatte der Mitarbeiter nur Zugang zu Werk 2. Am 23.11.2023 wurde ihm ein Drucker zur Verfügung gestellt. Am 09.02.2024 wurde der Mitarbeiter darüber informiert, dass er nun auch Zugang zu Werk 1 habe. Einen dienstlichen E-Mail-Account richtete die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter nicht wieder ein.
Der Mitarbeiter ist der Auffassung, dass der ihm zugewiesene Einsatz nicht die von ihm begehrte Weiterbeschäftigung als Produktionsleiter sei. Die letzte ihm zugewiesene Aufgabe vom 23.10.2023 habe er – so behauptet er – am 03.11.2023 erledigt; ab dem 06.11.2023 sei er in keiner Weise mehr beschäftigt worden; gleichzeitig habe er die Produktion nicht betreten dürfen. Ihm fehle weiterhin der Zugang zur Produktion, Informationen, ein externer Telefonanschluss, ein Zugriff zum Server und Software. Er habe seine Arbeit auch nicht selbständig eingestellt; vielmehr warte er derzeit auf eine Rückmeldung zu seinen Ausarbeitungen. Er habe mehrfach um eine Besprechung gebeten, jedoch keine Antwort erhalten. Er sei zur Erfüllung seines Weiterbeschäftigungsanspruches so einzusetzen, dass er grundsätzlich in der Lage sei und bleibe, das gesamte Spektrum der Arbeitsaufgaben bei Bedarf und Zuweisung adäquat erledigen zu können. Der Mitarbeiter wandte sich erneut an das Arbeitsgericht und beantragte, gegen die Arbeitgeberin wegen der Nichtvornahme der vertragsgemäßen Beschäftigung des Mitarbeiters als Produktionsleiter ein Zwangsgeld festzusetzen, ersatzweise Zwangshaft, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Arbeitgeberin.
Das Arbeitsgrricht hatte den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Mitarbeiters gab das Landesarbeitsgericht dem Antrag statt. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.
Die allgemeinen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) lagen vor. Bei der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung handelt es sich nach einhelliger Auffassung um die Verurteilung zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung gemäß § 888 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Arbeitgeberin war der titulierten Verpflichtung zur Beschäftigung des Mitarbeiters als Produktionsleiter nicht in einer Weise nachgekommen, die als Erfüllung (§ 362 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) angesehen werden könnte. Grundsätzlich kann sich der Arbeitgeber auch im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens auf die Erfüllung der titulierten Verpflichtung berufen. Zwar handelt es sich dabei um einen Einwand, der unmittelbar den materiell-rechtlichen Bestand des titulierten Anspruchs betrifft, und nicht um einen Einwand gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung. § 888 ZPO spricht in seinem Wortlaut jedoch davon, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung anzuhalten ist. Das kann nur bedeuten, dass die Handlung noch nicht vorgenommen ist. Mit ihrer Vornahme entfällt die Notwendigkeit der Zwangsvollstreckung. Das gilt bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die sofortige Beschwerde und ist aus prozessökonomischen Überlegungen geboten.
Die Arbeitgeberin beschäftigte den Mitarbeiter bis dato nicht als Produktionsleiter. Es war schon nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter einen ordnungsgemäß ausgestatteten Arbeitsplatz für diese Tätigkeit zur Verfügung gestellt hatte. Die Arbeitgeberin trug insoweit lediglich vor, dass dem Mitarbeiter „ein vollfunktionsfähiger Arbeitsplatz mit PC, Telefon, Internetzugang etc.“ zur Verfügung gestellt werde. Auf die Einwände des Mitarbeiters, dass ihm – unstreitig – kein E-Mail-Account eingerichtet worden sei und er keinen Zugriff auf den Server der Arbeitgeberin erhalte, ist die Arbeitgeberin nicht eingegangen. Es ist davon auszugehen, dass zumindest ein eigener E-Mail-Account sowie der Serverzugang bislang zur Arbeitsmittelausstattung des Mitarbeiters als Produktionsleiter gehörten und bei lebensnaher Betrachtung zur Erfüllung der Tätigkeiten eines Produktionsleiters auch erforderlich sind. Somit waren sie auch wiedereinzurichten.
Darüber hinaus wies die Arbeitgeberin dem Mitarbeier seit dem 06.11.2023 keine Tätigkeiten zu. Die Schuldnerin hatte dem Mitarbeiter unter dem 23.10.2023 eine Aufgabe zugewiesen („Planung für eine Automatisierung im Fertigungsprozess“), welche der Mitarbeiter nach eigenem Bekunden bereits am 3.11.2023 erledigt hatte. Soweit die Arbeitgeberin hiergegen eingewandt hatte, dass in der Folgezeit in regelmäßigen Abständen immer wieder Abstimmungen zu den zugewiesenen Aufgaben zwischen dem Mitarbeiter und dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin stattgefunden hätten, was der Mitarbeiter selbst u.a. durch seine Schreiben vom 28.11.2023 und 08.12.2023 dokumentiert habe, vermochte sie damit nicht durchzudringen. Die benannten Schreiben dokumentierten gerade keine Abstimmung zwischen dem Mitarbeiter und dem Geschäftsführer, sondern vielmehr nur die Aufforderung des Mitarbeiters an die Arbeitgeberin, ihm eine Rückmeldung zu seiner erledigten Aufgabe zu geben. Dass die Arbeitgeberin auf diese Aufforderungen in irgendeiner Weise eingegangen wäre, trug sie bezeichnenderweise schon nicht vor. Weitere Aufgaben hatte die Arbeitgeberin dem Mitarbeier nicht zugeteilt.
Eine – generell unzulässige – Verlagerung von Unklarheiten über den Inhalt der Weiterbeschäftigungsverpflichtung aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren lag nicht vor. Es ging vorliegend um das „Ob“ der Beschäftigung, nicht um das „Wie“. Nach alldem war ein verhältnismäßiges Zwangsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts des Mitarbeiters, nämlich 9.500 EUR, festzusetzen.
Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 11.03.2023
Aktenzeichen: 4 Ta 21/24