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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Überlassung eines Dienstwagens auch zur Privatnutzung

Überlassung eines Dienstwagens auch zur Privatnutzung

Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung ist grundsätzlich so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Nicht jede Änderung der Arbeitsaufgabe vermag einen anzuerkennenden Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit darstellen, und zwar auch dann nicht, wenn der geldwerte Vorteil der Privatnutzung – wie hier – weniger als 25% der Gesamtvergütung ausmacht.

Ein Mitarbeiter ist seit 2009 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Sein Bruttojahresgehalt belief sich zuletzt auf ca. 130.000 EUR inkl. des geldwerten Vorteils für die Privatnutzung eines Dienstwagens i.H.v. 1.119 EUR brutto/Monat. Im Mai 2015 hatten die Parteien einen Arbeitsvertrag geschlossen, wonach der Mitarbeiter ab dem Juli 2015 als Salesmanager innerhalb des Geschäftsbereichs Marketing und Vertrieb eingesetzt werden sollte. Regelungen zur Überlassung eines Dienstwagens enthielt der Vertrag selbst nicht. Gemäß einer Vertragsergänzung stellte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter während der Ausübung der Tätigkeit als Salesmanager ein sog. funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug (Dienstwagen) zur Verfügung.

Am 29.06.2021 vereinbarten die Parteien eine Vertragsergänzung, wonach der Mitarbeiter ab Juli 2021 als Gebietsleiter Verkauf innerhalb des Geschäftsbereichs Marketing und Vertrieb eingesetzt werden sollte. Weiter hieß es, dass die Übertragung einer anderen zumutbaren, den Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden gleichwertigen Tätigkeit im Falle betrieblicher Erforderlichkeit vorbehalten bleibe. Zugleich vereinbarten die Parteien, dass die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter ein funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug zur Verfügung stelle, sofern er nach den jeweils gültigen betrieblichen Regelungen hierfür berechtigt sei. Weitere Einzelheiten könnten der Fahrzeugregelung funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug entnommen werden. Mit Beendigung der Tätigkeit entfalle diese Leistung. Zudem ließ sich die Arbeitgeberin ein Widerrufsrecht einräumen.

Seit Februar 2023 ist der Mitarbeiter nicht mehr als Gebietsleiter Verkauf, sondern als Vertriebspartnerbetreuer Einzelkunden tätig. Der Inhalt der Tätigkeit hat sich indes nicht wesentlich geändert. lm März 2023 erfolgte eine turnusmäßige Überprüfung der Fahrzeugberechtigung. Das Erfordernis einer dauerhaft hohen Mobilität (dienstliche Abwesenheit von mehr als 50%) konnte demnach beim Mitarbeiter nicht festgestellt werden. Die Arbeitgeberin forderte ihn daraufhin auf, den Dienstwagen bis spätestens 31.12.2023 zurückzugeben. Der Mitarbeiter war der Ansicht, die Regelungen zum Entzug/Widerruf des Geschäftsfahrzeugs seien intransparent und somit gem. § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam. Die Kombination aus Zweckbefristung bzw. auflösender Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB und Widerrufsvorbehalt sei ebenso unwirksam wie eine Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Überlassung des Geschäftsfahrzeugs auch zur privaten Nutzung über den 31.12.2023 hinaus abgewiesen. Auf die Berufung des Mitarbeiters hat das Landesarbeitsgerichts das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, dem Mitarbeiter über den 31.12.2023 hinaus ein Geschäftsfahrzeug zur dienstlichen und privaten Nutzung nach Maßgabe der Vertragsergänzung vom 29.06.2021 zur Verfügung zu stellen.

Der Anspruch des Mitarbeiters ist nicht untergegangen. Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung ist grundsätzlich so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Denn sie ist Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und damit Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts. Der Anspruch des Mitarbeiters auf weitere Überlassung eines Geschäftsfahrzeugs wäre daher nur dann zu verneinen, wenn die Arbeitgeberin zur Rückforderung berechtigt wäre, namentlich eine wirksam vereinbarte auflösende Bedingung eingetreten oder von einem wirksam vereinbarten Widerrufsvorbehalt wirksam Gebrauch gemacht worden wäre.

Der Anspruch des Mitarbeiters ist allerdings nicht wegen des Eintritts einer auflösenden Bedingung gem. § 158 Absatz 2 BGB untergegangen. Die Klausel zur dienstlichen Notwendigkeit des Geschäftsfahrzeugs ist unter mehreren Aspekten intransparent und daher unwirksam. Unklar ist bereits, wann eine „dauerhaft hohe Mobilität“ zu verneinen ist. Der Wortlaut ist insoweit mehrdeutig, ohne dass unter Berücksichtigung des Vertragszwecks für rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittsarbeitnehmer aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise einer Auslegungsvariante der Vorrang zu geben wäre. Des Weiteren ist unklar, welche Reisen mit dem Geschäftsfahrzeug überhaupt bei der Frage der dienstlichen Abwesenheit berücksichtigt werden. Letztlich ist unklar, wie die Quote von mind. 50% der Arbeitstage berechnet werden soll.

Der Widerrufsvorbehalt der Arbeitgeberin ist materiell unwirksam, da die Klausel auch zum Widerruf des Geschäftsfahrzeugs aus Gründen berechtigt, die für den Mitarbeiter nicht zumutbar sind. Auch wenn der Arbeitgeber im Grundsatz ein anerkennenswertes Interesse daran hat, bestimmte Leistungen flexibel auszugestalten, darf das Wirtschaftsrisiko nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden. Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrags sind nach der Wertung des § 307 Absatz 2 BGB nicht zulässig. So vermag nicht jede Änderung der Arbeitsaufgabe einen anzuerkennenden Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit darzustellen, und zwar auch dann nicht, wenn der geldwerte Vorteil der Privatnutzung – wie hier – weniger als 25% der Gesamtvergütung ausmacht.

Urteil des Landesarbeitsgericht Hamm vom 23.01.2024

Aktenzeichen: 6 Sa 1030/23