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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Keine Entschädigung wegen rechtsmissbräuchlicher Bewerbung als Sekretärin

Keine Entschädigung wegen rechtsmissbräuchlicher Bewerbung als Sekretärin

Einem Entschädigungsverlangen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgestez (AGG) kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs u.a. auch dann entgegenstehen, wenn ein Bewerber sich systematisch auf eine Vielzahl von AGG-widrig ausgeschriebene Stellen als „Sekretärin“ im Sinne eines durch ihn weiterentwickelten Geschäftsmodells „2.0“ bewirbt, mit dem alleinigen Ziel, Entschädigungsansprüche nach dem AGG durchzusetzen und hierdurch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Der heute knapp 30-jährige Bewerber, ein ausgebildeter Industriekaufmann, hatte sich in der Vergangenheit mehrfach auf Stellenausschreibungen für eine „Sekretärin“ bei diversen Unternehmen beworben und im Nachgang Entschädigungsprozesse aufgrund einer etwaigen Benachteiligung wegen des Geschlechts geführt. So hatte etwa Anfang 2021 ein Unternehmen in Schleswig-Holstein, das eine Kfz-Werkstatt unterhält sowie gebrauchte Kfz veräußert, eine Stelle für eine „Sekretärin“ auf der Internet-Plattform eBay Kleinanzeigen ausgeschrieben. Der Bewerber meldete sich über die Chat-Funktion von eBay Kleinanzeigen und bot dort seine Dienste an, ohne seine Bewerbungsunterlagen einzureichen.

Das Unternehmen sagte daraufhin dem Bewerber ab, unter Hinweis darauf, dass ausschließlich eine Dame gesucht werde. Der Bewerber machte daraufhin einen Entschädigungsanspruch aufgrund einer Benachteiligung wegen seines Geschlechts geltend und forderte 7.800 EUR. Mit wörtlich gleichem Erstanschreiben bewarb sich der Bewerber daraufhin regelmäßig auf entsprechende Stellen als „Sekretärin“, so auch im vorliegenden Fall bei einer Firma in NRW. Dabei machte der Bewerber auf der Website Indeed nur wenige Angaben zu seinem Lebenslauf. Konkretere zeitliche Angaben, Nachweise zur Ausbildung/Lehre sowie zu den Unternehmen, bei welchen er tätig gewesen sein will, übermittelte der Bewerber nicht. Sodann übersandte er an die Arbeitgeberin per Post ein Anschreiben.

Der Bewerber erhielt auf seine Bewerbung von der Arbeitgeberin keine Rückmeldung. Insbesondere wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Die ausgeschriebene Stelle wurde mittlerweile mit einer Frau besetzt. Der Bewerber forderte von der Arbeitgeberin eine Entschädigung von mind. 6.000 EUR.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht wies die hiergegen gerichtete Berufung des Bewerbers zurück. Allerdings wurde gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Dem Bewerber stand gegen die Arbeitgeberin kein durchsetzbarer Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 AGG zu. Dabei konnte dahinstehen, ob ein solcher Anspruch dem Grunde und der Höhe nach besteht. Der Geltendmachung des Anspruchs, d.h. der Durchsetzbarkeit, steht jedenfalls der Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegen.

Einem Entschädigungsverlangen nach dem AGG kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs u.a. auch dann entgegenstehen, wenn sich ein Bewerber systematisch auf eine Vielzahl von AGG-widrig ausgeschriebene Stellen als „Sekretärin“ im Sinne eines durch ihn weiterentwickelten Geschäftsmodells „2.0“ bewirbt, mit dem alleinigen Ziel, Entschädigungsansprüche nach dem AGG durchzusetzen und hierdurch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ein solches fortentwickeltes Geschäftsmodell kann sich – wie hier – daraus ergeben, dass ein Bewerber – aufgrund von verlorenen Entschädigungsprozessen in der Vergangenheit – gezielt ihm darin durch Gerichte vorgehaltene Rechtsmissbrauchsmerkmale bei zukünftigen Bewerbungen minimiert und die Bewerbungen entsprechend anpasst, die ebenfalls seitens der Gerichte konkret monierten, untauglichen Bewerbungsunterlagen aber bewusst und konstant auf niedrigem Niveau belässt, um bei der Stellenbesetzung selbst nicht berücksichtigt zu werden.

Es bestanden hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Bewerber die Absicht verfolgt hatte, sich einen ungerechtfertigten Vorteil dadurch zu verschaffen, dass er die Voraussetzungen für einen (formalen) Status eines Bewerbers i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG willkürlich herbeizuführen. Einen zusätzlichen subjektiven Umstand sah das Gericht darin begründet, dass der Bewerber bis zuletzt nicht hinreichend vorgetragen hatte, welche anderen Motive, außer der Entschädigungszahlung, ihn zur Bewerbung auf die konkrete ausgeschriebene Stelle bewogen haben sollen. Unerheblich war, dass der Bewerber behauptet hat, sich im November und Dezember 2022 auch auf andere geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellen beworben zu haben.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 05.12.2023

Aktenzeichen: 6 Sa 896/23