Rechtsanwalt Dr. von Harbou

Vertrauen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Geben Sie mir die Gelegenheit, Sie von mir und meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Gerne vereinbare ich mit Ihnen einen ersten Termin, in dem wir Ihr Anliegen besprechen und ich Sie anschließend über die rechtlichen Möglichkeiten, Erfolgsaussichten, Risiken und Kosten informiere.

Geschäftszeiten

Montag - Freitag 09:00 -18:00 Uhr
Samstag - Sonntag Geschlossen

Aktueller Rechtsblog

Top
Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Pflicht zur Kenntnisnahme der Zuweisung von Dienstzeiten per SMS auch in der Freizeit

Pflicht zur Kenntnisnahme der Zuweisung von Dienstzeiten per SMS auch in der Freizeit

Ist dem Arbeitnehmer auf der Grundlage der betrieblichen Regelungen bekannt, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für den darauffolgenden Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkretisieren wird, ist er verpflichtet, eine solche, per SMS mitgeteilte Weisung auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen.

Ein Mitarbeiter stritt meiner seiner Arbeitgeberin über die (Wieder-)Gutschrift von Arbeitsstunden auf dem für den Mitarbeiter geführten Arbeitszeitkonto sowie über die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte. Der Mitarbeiter ist seit 2003 als Notfallsanitäter in Vollzeit bei der Arbeitgeberin beschäftigt.

Die Arbeitgeberin und der bei ihr gebildete Betriebsrat haben die Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitgrundsätze…“ geschlossen, die ua. bestimmt, dass der unkonkret zugeteilte Springerdienst für den Tag- und Spätdienst noch bis 20.00 Uhr des Vortags vor Dienstbeginn im Dienstplan weiter konkretisiert werden kann. Den aktuellen Ist-Dienstplan können die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin über das Internet einsehen, sog. SelfService.

Im Ist-Dienstplan war für den Mitarbeiter seit dem 04.04.2021, 8.22 Uhr, ein unkonkreter Springerdienst für den 08.04.2021 eingetragen. Am 06.04.2021 endete sein Dienst um 19.00 Uhr. Am 07.04.2021 war der Mitarbeiter von der Arbeitsleistung befreit. An diesem Tag teilte ihn die Arbeitgeberin um 13.20 Uhr für einen Dienst am 08.04.2021 in der Tagschicht, Beginn 06.00 Uhr, in der Rettungswache P ein und nahm eine entsprechende Eintragung im Ist-Dienstplan vor. Die Arbeitgeberin versuchte vergeblich, den Mitarbeiter telefonisch hierüber zu informieren. Um 13.27 Uhr übersandte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter eine elektronische Kurznachricht (SMS) mit der Information über den zugeteilten Dienst.

Am 08.04.2021 zeigte der Mitarbeiter um 7.30 Uhr telefonisch seine Arbeitsbereitschaft an. Die Arbeitgeberin setzte ihn an diesem Tag nicht mehr ein, nachdem sie zwischenzeitlich einen Kollegen aus der Rufbereitschaft herangezogen hatte. Sie erteilte dem Mitarbeiter eine Abmahnung, bewertete den Tag als unentschuldigtes Fehlen und zog vom Unterkonto 2 des Arbeitszeitkontos elf Stunden ab.

Die Klage des Mitarbeiters auf (Wieder-)Gutschrift abgezogener Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Mitarbeiters gab das Landesarbeitsgericht der Klage überwiegend statt. Die hiergegen von der Arbeitgeberin beim Bundesarbeitsgericht eingelegte Revision hatte Erfolg.

Der Mitarbeiter kann keine Korrektur des Arbeitszeitkontos für den 08.04.2021 verlangen, weil sich die Arbeitgeberin nicht im Annahmeverzug befunden hatte. Der Mitarbeiter hatte die geschuldete Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. In der Annahme eines ordnungsgemäßen Angebots liegt der Rechtsfehler des Berufungsurteils.

Der Mitarbeiter hatte die am 08.04.2021 geschuldete Arbeitsleistung nicht tatsächlich am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise angeboten. Er schuldete nicht lediglich eine telefonische Anzeige seiner Einsatzbereitschaft um 7.30 Uhr in Anwendung von § 4f Abs. 8 Satz 3 der Betriebsvereinbarung (BV). Erforderlich wäre ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung auf der Wache um 6.00 Uhr gewesen, weil die Arbeitgeberin den Dienst des Mitarbeiters nach § 4f Abs. 8 Satz 1 BV wirksam dahingehend konkretisiert und ihm eine entsprechende Weisung erteilt hatte.

Die Wirksamkeit der maßgeblichen Regelungen der BV begegnete nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts keinen Bedenken. Diese werden nicht von der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) erfasst.

Die von dem Mitarbeiter am 08.04.2021 geschuldete Arbeitsleistung war die Tätigkeit als Notfallsanitäter im Tagdienst in der Rettungswache P mit Dienstbeginn um 6.00 Uhr. Die Arbeitgeberin konnte auf der Grundlage von § 4f Abs. 8 Satz 1 BV den für den Mitarbeiiter an diesem Tag im Dienstplan vorgesehenen sog. unkonkret zugeteilten Springerdienst wirksam konkretisieren. An die erteilte Weisung in Ausübung des Direktionsrechts der Arbeitgeberin nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) war der Mitarbeiter gebunden.

Die Arbeitgeberin hatte nach § 4f Abs. 8 Satz 1 BV den Dienst für den 08.04.2021 wirksam innerhalb des Zeitfensters bis 20.00 Uhr des Vortags vor Dienstbeginn weiter konkretisiert. Die Konkretisierung des Dienstes steht nicht im Widerspruch zu § 12 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), wonach der Arbeitgeber bei Arbeit auf Abruf eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers nur dann begründen kann, wenn er ihm die Lage der Arbeitszeit mindestens vier Tage im Voraus mitteilt. Im Streitfall lag nämlich kein Abrufarbeitsverhältnis in diesem Sinne vor.

Der Mitarbeiter konnte sich nicht darauf berufen, von der wirksamen Konkretisierung des Dienstes keine Kenntnis gehabt zu haben. Die Weisung der Arbeitgeberin war dem Mitarbeiter zugegangen. Für den Mitarbeiter bestand eine Nebenpflicht aus dem Vertragsverhältnis, die Zuteilung des Dienstes zur Kenntnis zu nehmen.

Der Mitarbeiter war verpflichtet gewesen, die Weisung in Bezug auf den zugeteilten Dienst für den 08.04.2021 zur Kenntnis zu nehmen. Es handelte sich um eine mit der Arbeitspflicht in unmittelbarem Zusammenhang stehende Nebenleistungspflicht, der der Mitarbeiter als Folge der Regelung in § 4f Abs. 8 Satz 1 BV unterlag. Dieser Pflicht hat er auch außerhalb seiner eigentlichen Dienstzeit als Notfallsanitäter nachzukommen. Das Landesarbeitsgericht hatte dagegen rechtsfehlerhaft angenommen, der Mitarbeiter müsse außerhalb der Dienstzeit keine Kenntnis von der Zuteilung des Dienstes nehmen.

Die leistungssichernde Nebenpflicht, Kenntnis von der Zuteilung von konkretisierten Tag- und Spätdiensten zu nehmen, kam im Streitfall in der Regelung von § 4f Abs. 8 Satz 1 BV zum Ausdruck. Danach kann der unkonkret zugeteilte Springerdienst für den Tag- und Spätdienst noch bis 20.00 Uhr des Vortags vor Dienstbeginn im Dienstplan weiter konkretisiert werden. Dies beinhaltet zugleich, dass der jeweils betroffene Arbeitnehmer spätestens ab diesem Zeitpunkt damit rechnen muss, für den folgenden Dienstbeginn einer konkretisierten Weisung zu unterliegen. Daraus folgt die Pflicht, Mitteilungen von Seiten der Arbeitgeberin zur Kenntnis zu nehmen.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.08.2023
Aktenzeichen: 5 AZR 349/22