Ministertreffen statt Fortbildung: Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
Reist ein Mitglied des Betriebsrats ohne Wissen des Arbeitgebers mit einem von diesem zur Verfügung gestellten Mietwagen zu einem gewerkschaftlich organisierten Beratungstreffen mit dem Bundesarbeitsminister und zu einem Treffen mit dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen, statt an einem vom Arbeitgeber finanzierten Seminar teilzunehmen und rechnet er die entstehenden Tankkosten zudem über den Arbeitgeber ab, so rechtfertigt dieses Verhalten eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsvertrags.
Ein Mitarbeiter war freigestelltes Mitglied des Betriebsrats bei einer Arbeitgeberin, die am Standort Achim ein Waren- und Logistikzentrum (Amazon) betreibt. Er meldete sich in seiner Funktion als Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung mit Einverständnis der Arbeitgeberin bei dem Seminar „Die Schwerbehindertenvertretung II“ für den Zeitraum vom 06.02. bis 10.02.2023 in Köln an. Die Seminargebühr und die Hotelkosten wurden von der Arbeitgeberin getragen. Für die Teilnahme an dem Seminar mietete der Mitarbeiter mit Kenntnis der Arbeitgeberin einen Mietwagen bei einer Mietwagenfirma an.
Am 06.02.2023 nahm der Mitarbeiter ohne Wissen der Arbeitgeberin an einem gewerkschaftlich organisierten Beratungstreffen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, in Berlin teil. Am Folgetag fuhr der Mitarbeiter nach Hannover zu einem Treffen mit dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Stephan Weil. Beide Fahrten unternahm der Mitarbeiter mit dem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Mietwagen und rechnete die Tankkosten über diese ab.
Mit Schreiben vom 07.03.2023, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung. Das Betriebsratsgremium stimmte dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zu. Die Arbeitgeberin warf dem Mitarbeiter vor, seine arbeitsvertraglichen Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt zu haben, indem er falsche Angaben zur Arbeitszeit getätigt und zudem Reisekosten für Fahrten, die nicht im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Mitarbeiters, insbesondere nicht im Zusammenhang mit der von ihm behaupteten Seminarteilnahme, standen, bei der Arbeitgeberin geltend gemacht hatte.
Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters ab.
Es lag ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung vor. Aufgrund der eigenen Einlassungen des Mitarbeiters stand fest, dass er entgegen seinen eigenen Angaben am 06.02. und 07.02.2023 nicht bzw. nur zeitweilig am Seminar in Köln teilgenommen hatte. Darüber hinaus hatte er nicht im Zusammenhang mit der Seminarteilnahme stehende Fahrtkosten über die Arbeitgeberin abgerechnet. Die Teilnahme an den Veranstaltungen in Berlin und Hannover lag auch nicht in der direkten Ausübung seines Betriebsratsmandats begründet. Besonders schwerwiegend war aber die Verletzung des Vertrauensverhältnisses gegenüber der Arbeitgeberin aufgrund der objektiv falschen Angaben des Mitarbeiters in Bezug auf die Arbeitszeit und die angefallenen Spesen. In der Gesamtschau dieser Umstände rechtfertigt dieses Verhalten eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 19.09.2023
Aktenzeichen: 2 Ca 101/23