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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie nur an bestimmte Arbeitnehmer

Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie nur an bestimmte Arbeitnehmer

Ein Ausgleich der inflationsbedingten Teuerungsrate muss nicht allen Arbeitnehmern gleichmäßig gewährt werden, wenn sachliche Gründe für eine Differenzierung bestehen. Die Geltung verschiedener Vertragsmodelle ist ein formeller Gesichtspunkt und ersetzt nicht den sachlichen Grund für die Differenzierung. Eine Gruppenbildung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist.

Eine Mitarbeiterin war seit 2009 als Verkäuferin in Teilzeit bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Die Arbeitgeberin hatte den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern den Abschluss neuer Arbeitsverträge angeboten. Die Mitarbeiterin hatte das Angebot nicht angenommen. Im Kalenderjahr 2022 hatte die Arbeitgeberin der Mitarbeiterin sodann keine Jahressonderleistung ausgezahlt, woraufhin die Mitarbeiterin die Zahlung der Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2022 i.H.v. 1.036,81 EUR brutto beim Arbeitsgericht eingeklagt hatte. Nachdem die Arbeitgeberin die Zahlung an die Mitarbeiterin geleistet hatte, war der Rechtsstreit  übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

Mit Schreiben vom 29.09.2022 wurden die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin darüber informiert, dass allen Arbeitnehmern, die keine Sonderleistungen erhalten hatten, aufgrund der steigenden Inflation eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 EUR netto ausgezahlt werde. Teilzeitkräfte erhielten diese entsprechend anteilig. Die Mitarbeiterin hat keine Inflationsausgleichszahlung erhalten. Sie verlangte von der Arbeitgeberin die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie unter Berücksichtigung ihrer Teilzeittätigkeit i.H.v. 666 EUR netto.

Die Mitarbeiterin war der Ansicht, ihr Anspruch ergebe sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Darüber hinaus liege auch ein Verstoß gegen das Maßregelverbot vor. Die Arbeitgeberin hielt dagegen, die Mitarbeiterin habe als Sonderzahlungen für die Jahre 2020 und 2021 insgesamt rund 3.700 EUR brutto erhalten. Der Großteil der Belegschaft habe dagegen seit dem Jahr 2020 keine Sonderzahlung mehr erhalten und habe diese auch nicht gerichtlich geltend gemacht. Damit liege ein sachlicher Differenzierungsgrund dafür vor, diejenigen Mitarbeiter, die keine Sonderzahlungen erhalten hatten, günstiger zu behandeln, als diejenigen Mitarbeiter, die entsprechende Zahlungen erhalten hatten.

Das Arbeitsgericht wies die Klage der Mitarbeiterin auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie ab.

Ein Anspruch der Mitarbieterin auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie ergab sich weder aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz noch aus einem Verstoß gegen das Maßregelverbot.

Die Arbeitgeberin durfte nach sachlichen Gründen differenzieren, welcher Arbeitnehmergruppe sie einen Inflationsausgleich zukommen lassen will und welcher Arbeitnehmergruppe nicht. Ein Ausgleich der inflationsbedingten Teuerungsrate muss nicht allen Arbeitnehmern gleichmäßig gewährt werden, wenn sachliche Gründe für eine Differenzierung bestehen. Die Arbeitgeberin hatte mit der Beschränkung der Leistungen einen weitergehenden Zweck verbunden und nicht allein das Ziel des für alle gleichermaßen geltenden Inflationsausgleichs verfolgt. Vielmehr zeigte die Verteilung der Leistung und die dafür gegebene Begründung, dass es der Arbeitgeberin bei der Differenzierung um eine Angleichung der Arbeitsbedingungen ging. Zwar bedankte sie sich auch für den Einsatz der Arbeitnehmer. Mit der Bezeichnung als „Inflationsprämie“ und der Zahlung nur an diejenigen Arbeitnehmer, die auf eine Sonderzahlung verzichtet hatten, wurde aber der Charakter als Ausgleichszahlung hinreichend deutlich.

Die Geltung verschiedener Vertragsmodelle ist ein formeller Gesichtspunkt und ersetzt nicht den sachlichen Grund für die Differenzierung. Eine Gruppenbildung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Die unterschiedliche Leistungsgewährung muss stets im Sinne materieller Gerechtigkeit sachgerecht sein. Das ist auch bei unterschiedlichen Vergütungssystemen nicht ohne weiteres gewährleistet. Die Arbeitgeberin bezweckte mit der Beschränkung der Leistung auf die Arbeitnehmer, die auf die Sonderzahlung verzichtet hatten, einen Ausgleich gegenüber den übrigen Arbeitnehmern, die einen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld hatten. Das war ein sachlicher Grund, der eine Differenzierung rechtfertigte.

Der Zahlungsanspruch ergab sich auch nicht aus einem Verstoß der Arbeitgeberin gegen das sog. Maßregelverbot. Gem. § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Damit verbietet § 612a BGB jede Benachteiligung des Arbeitnehmers, also nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass die rechtswidrige Benachteiligung durch den Arbeitgeber beseitigt wird. Die Beseitigung kann nur dadurch erfolgen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so stellt, wie er ohne die Maßregelung stünde.

Die Rechtsausübung durch die Mitarbeiterin war aber nicht kausal für die von der Arbeitgeberin vorgenommene Maßnahme. Diese hatte die Mitarbeiterin nicht von der Gruppe der Arbeitnehmer, an die sie eine Inflationsausgleichsprämie gezahlt hat, ausgenommen, weil sie keinen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben hatte. Grund für die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie war vielmehr die gestiegene Inflation und damit verbundene Mehrbelastung der Arbeitnehmer. Hier hatte die Arbeitgeberin bei der Verteilung zulässig zwischen Arbeitnehmern, die bereits Anspruch auf eine Sonderzahlung haben, und Arbeitnehmern, die ansonsten keine Sonderzahlung erhalten, differenziert.

Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 06.07.2023

Aktenzeichen: 1 Ca 54/23