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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kündigung nach Beleidigungen in Chatgruppe

Kündigung nach Beleidigungen in Chatgruppe

Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.

Ein Mitarbeiter gehörte seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren langjährig befreundet, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Mitarbeiter – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise u.a. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Arbeitgeberin hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters außerordentlich fristlos.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten der von dem Mitarbeiter erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Auf die Revision der Arbeitgeberin hob das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das Landesarbeitsgericht zurück.

Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Mitarbeiters betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint.

Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

Das Berufungsurteil war insoweit aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Das Landesarbeitsgericht wird dem Mitarbeiter Gelegenheit für die ihm obliegende Darlegung geben, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.08.2023

Aktenzeichen: 2 AZR 17/23