Keine persönliche Haftung des Geschäftsführer für unterbliebene Mindestlohnzahlung
Geschäftsführer einer GmbH haften gegenüber den Arbeitnehmern der GmbH nicht deshalb auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), weil sie im Einzelfall nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 Mindestlohngesetz (MiLoG) i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) für Verstöße der GmbH gegen ihre Verpflichtung aus § 20 MiLoG, ihren Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen, bußgeldrechtlich verantwortlich sind. Der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 iVm. § 20 MiLoG stellt – ungeachtet des § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG – kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Arbeitnehmer der GmbH in ihrem Verhältnis zum Geschäftsführer der Gesellschaft dar.
Ein Mitarbeiter verklagte die Geschäftsführer seiner vormaligen Arbeitgeberin auf Schadensersatz wegen unterbliebener Vergütungszahlung für den Monat Juni 2017 in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns. Er meinte, die Arbeitgeberin hätte ihm für 176 auf den Monat Juni entfallende Arbeitsstunden eine Vergütung mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns von 8,84 Euro brutto je Stunde zahlen müssen und dass hierfür die Geschäftsführer aus § 823 Abs. 2 BGB persönlich hafteten. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 iVm. § 20 MiLoG sei die fahrlässige oder vorsätzliche Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns bußgeldbewehrt. Die Geschäftsführer seien als gesetzliche Vertreter der Arbeitgeberin nach § 9 OWiG taugliche Täter der Ordnungswidrigkeit, sie hätten den Bußgeldtatbestand auch zumindest fahrlässig verwirklicht. Danach habe er einen „direkten Zahlungsanspruch“ gegen die Geschäftsführer.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auch die Berufung wurde zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun auch die Revision des Mitarbeiters zurückgewiesen.
Die Geschäftsführer der Arbeitgeberin hafteten dem Mitarbeiter nicht persönlich für die unterbliebene Zahlung des Mindestlohns. Nach der gesetzlichen Wertung ist die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt (§ 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz – GmbHG). Außenstehenden Dritten haften Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich. Vielmehr ist die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt.
Ein Geschäftsführer einer GmbH haftet nur dann persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben ist. Ein besonderer Haftungsgrund lag hier nicht vor. Die Geschäftsführer waren dem Mitarbeiter nicht nach den – hier als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden – Bestimmungen in § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zum Schadensersatz verpflichtet. Der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 iVm. § 20 MiLoG stellt – ungeachtet der sich aus § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG im Einzelfall ergebenden bußgeldrechtlichen Verantwortung der Geschäftsführer einer GmbH für Verstöße gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns – kein Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Gesellschaft, hier des Mitarbeiters, in ihrem Verhältnis zu den Geschäftsführern der Gesellschaft, i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB dar.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.03.2023
Aktenzeichen: 8 AZR 120/22