BAG-Urteil zur Entgeltgleichheit von Männern und Frauen
Das Bundesarbeitsgericht hatte entschieden, dass eine Frau Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit hat, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändere es nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt. Der Umstand, dass sich die Parteien eines Arbeitsvertrags im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit auf ein höheres Entgelt verständigen als der Arbeitgeber mit einer Arbeitskraft des anderen Geschlechts mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit vereinbart, sei für sich allein betrachtet nicht geeignet, die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung nach § 22 AGG zu widerlegen.
Aus den nunmehr veröffentlichen Entscheidungsgründen ergeben sich folgende Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts:
a) Das monatliche Grundgehalt ist „Entgelt“ i.S.v. § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG sowie i.S.v. Art. 157 Abs. 2 AEUV und Art. 2 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/54/EG. Der Vergleich der Entgelthöhe ist auf das Grundgehalt zu beschränken, während andere Entgeltbestandteile nicht in den Vergleich einzubeziehen sind.
b) Ob die betreffenden Arbeitnehmer die „gleiche Arbeit“ oder „gleichwertige Arbeit“ i.S.v. Art. 157 AEUV verrichten, ist eine Frage der Tatsachenwürdigung durch das Gericht. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG üben weibliche und männliche Beschäftigte eine gleichwertige Arbeit i.S.d. EntgTranspG aus, wenn sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Zu den zu berücksichtigenden Faktoren gehören unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen, § 4 Abs. 2 Satz 2 EntgTranspG. Es ist von den tatsächlichen, für die jeweilige Tätigkeit wesentlichen Anforderungen auszugehen, die von den ausübenden Beschäftigten und deren Leistungen unabhängig sind, § 4 Abs. 2 Satz 3 EntgTranspG.
c) Die Vermutung der geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung kann im Einzelfall widerlegt sein, wenn der Arbeitgeber darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass das höhere Entgelt wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt erforderlich war, um die offene Stelle mit einer geeigneten Arbeitskraft zu besetzen. Veranlasst die Lage auf dem Arbeitsmarkt einen Arbeitgeber, das Entgelt für eine bestimmte Tätigkeit zu erhöhen, um Bewerbern einen Anreiz zu bieten, kann dies geeignet sein, die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung zu widerlegen.
d) Die Arbeitgeberin konnte sich hier nicht mit Erfolg allein darauf berufen, sich mit dem Bewerber P in Ausübung der beiderseitigen Vertragsfreiheit auf ein höheres Entgelt geeinigt zu haben. (Teilweise wird die Auffassung vertreten, es sei zulässig, für gleiche oder gleichwertige Arbeit eine höhere Vergütung zu zahlen, wenn sich ein Bewerber im Vorstellungsgespräch besonders gut verkaufe.)
Der Umstand, dass sich Arbeitsvertragsparteien im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit auf ein höheres Entgelt verständigen als der Arbeitgeber mit einem Mitarbeiter des anderen Geschlechts mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit vereinbart, ist für sich allein betrachtet nicht geeignet, die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung zu widerlegen. In einem solchen Fall wird nämlich gerade nicht ausgeschlossen, dass das Geschlecht mitursächlich für die Vereinbarung der höheren Vergütung war. Würde dennoch allein der Umstand der Einigung auf eine höhere Vergütung genügen, könnte der Grundsatz des gleichen Entgelts für Frauen und Männer iSv. Art. 157 Abs. 1 AEUV, Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG sowie iSv. § 3 Abs. 1, § 7 EntgTranspG auch nicht effektiv umgesetzt werden. Art. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2006/54/EG würde seine praktische Wirksamkeit genommen.
Etwas anderes ergab sich vorliegend nicht daraus, dass die Arbeitgeberin dem Bewerber P ursprünglich dieselbe – niedrigere – Grundvergütung angeboten hat wie später der Mitarbeiterin und dass die Initiative für die Vereinbarung eines höheren Grundentgelts von dem Bewerber P ausging, weil dieser eine um 1.000 EUR brutto höhere Grundvergütung forderte. Allein der Umstand, dass die Arbeitgeberin der Forderung des Bewerbers P nach einem höheren Grundentgelt nachgegeben hat, ist für sich allein betrachtet ebenfalls nicht geeignet, die Vermutung der Entgeltbenachteiligung der Mitarbeiterin aufgrund des Geschlechts zu widerlegen.
e) Eine bessere Qualifikation eines Bewerbers kann im Einzelfall zur Widerlegung der Vermutung geeignet sein. Dies gilt nicht nur für eine bessere Qualifikation wegen einer fachspezifischen Ausbildung, sondern auch im Hinblick auf eine einschlägige Berufserfahrung.