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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Rechtsweg bei Klage auf Entschädigung nach § 56 IfSG

Rechtsweg bei Klage auf Entschädigung nach § 56 IfSG

Für die Entscheidung über die Zahlung einer Entschädigung nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gegen den Arbeitgeber sind die Verwaltungsgerichte gemäß § 68 Abs. 1 IfSG zuständig. Behält der Arbeitgeber von der Vergütung des Arbeitnehmers für den laufenden Monat einen Teil ein mit der Begründung, im Vormonat habe diesem kein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG zugestanden, sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig, soweit nicht mit Rechtskraftwirkung über diesen Entschädigungsanspruch als Vorfrage für einen Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers zu entscheiden ist.

Ein Mitarbeiter verlangte von seiner Arbeitgeberin die Zahlung von Vergütung in Höhe von 675 EUR netto für den Monat März 2022. In dieser Höhe hatte die Arbeitgeberin einen Einbehalt von der auszuzahlenden Vergütung vorgenommen, weil sie der Auffassung war, dass sie dem Mitarbeiter für die Zeit einer behördlich angeordneten Quarantäne vom 04.02. bis 14.02.2022 aufgrund eines positiven Covid-19-Tests nicht zur Zahlung einer Entschädigung nach § 56 IfSG verpflichtet gewesen sei. Denn der Mitarbeiter hatte – unstreitig – keine Corona-Schutzimpfung nachgewiesen. Eine Entschädigung nach § 56 IfSG für die Zeit der behördlichen Quarantäneanordnung im Februar 2022 habe ihm deswegen nicht zugestanden.

Die Arbeitgeberin hat im Hinblick auf die Regelung in § 68 Abs. 1 IfSG die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt, weil der Mitarbeiter eine Entschädigung nach § 56 IfSG geltend mache, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Dem hat sich das Bundesland, dem die Arbeitgeberin den Streit verkündet hatte, angeschlossen. Der Mitarbeiter hielt die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für gegeben. Es bestehe neben dem Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG auch ein Zahlungsanspruch nach § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie – hilfsweise – ein Schadensersatzanspruch.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die sofortige Beschwerde des Mitarbeiters hin den Beschluss des Arbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für derzeit zulässig erklärt.

Entgegen den von den Parteien, dem Streitverkündeten und dem Arbeitsgericht vertretenen Rechtsansichten werden nach dem unstreitigen Sachverhalt im vorliegenden Verfahren lediglich bürgerlich-rechtliche Ansprüche wechselseitig geltend gemacht. Streitgegenstand der Klage ist ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Mitarbeiter verlangt die Vergütung für geleistete Arbeit im Monat März 2022 gemäß § 611a BGB.

Gegenstand der Aufrechnung der Arbeitgeberin ist ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch, der im rechtlichen oder zumindest im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht und für dessen Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist (§ 2 Abs. 3 ArbGG).

Die Arbeitgeberin hat wegen der von ihr für den Monat Februar 2022 bereits im Voraus aus eigenen Mitteln vorgenommenen Zahlung der Entschädigung nach § 56 IfSG gegen den Nettoentgeltanspruch für den Monat März 2022 aufgerechnet, weil sie im Nachhinein davon ausgeht, dass dem Mitarbeiter diese Entschädigung nicht zusteht, also ihrerseits eine Leistung ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Der aus dieser Vorleistung folgende Bereicherungsanspruch im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB stellt unabhängig davon, dass der Arbeitgeber nach der gesetzlichen Konzeption des Entschädigungsanspruches des § 56 IfSG lediglich eine Zahlstelle der zuständigen Behörde ist, einen bürgerlich-rechtlicher Anspruch im Verhältnis zum Arbeitnehmer dar.

Der Umstand, dass dieser Rechtsgrund auch ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG sein kann, ändert nichts am bürgerlich-rechtlichen Charakter des Bereicherungsanspruchs, bei dem im Rahmen des Rechtsgrundes das Bestehen eines solchen als Vorfrage zu prüfen ist. Zwar kann diese Vorfrage nicht durch das Arbeitsgericht entschieden werden. Eine Verweisung ist derzeit jedoch nicht möglich.

Im vorliegenden Fall ist eine Zuweisung für die Frage des Bestehens eines Entschädigungsanspruches nach § 56 IfSG an ein besonderes Gericht und in ein besonderes Verfahren durch § 68 Abs. IfSG erfolgt. Die zuletzt genannte Bestimmung eröffnet umfassend sowohl für Ansprüche nach §§ 56 bis 58 IfSG einschließlich etwaiger Streitigkeiten über die Auszahlung der Entschädigung durch den Arbeitgeber zwischen diesem und dem Arbeitnehmer als auch für die Rückforderung und Erstattung von Leistungen nach §§ 56 bis 58 IfSG den Verwaltungsrechtsweg.

Es handelt sich angesichts der Formulierung des § 68 Abs. 1 IfSG um eine aufdrängende Sonderzuweisung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für Streitigkeiten über die Auszahlung der Verdienstausfallentschädigung durch den Arbeitgeber. Eine Entscheidung über diese Vorfrage ist danach den Gerichten für Arbeitssachen entzogen.

Folge davon ist im vorliegenden Fall jedoch nicht die Verweisung des Rechtsstreits an die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Vielmehr ist wie bei der Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung auch bei einer Aufrechnung mit einem Bereicherungsanspruch, bei dem der Rechtsgrund von der Vorfrage des (Nicht)Bestehens eines rechtswegfremden Anspruches abhängt, zunächst über die Lohnforderung des Klägers zu entscheiden, wenn und soweit diese nicht – mehr – von dem rechtswegfremden Anspruch abhängig ist.

Soweit es für die Entscheidung über die Berechtigung der Aufrechnung auf diese Vorfrage ankommt, wird das Arbeitsgericht durch Vorbehaltsurteil zunächst über den Vergütungsanspruch des Mitarbeiters zu entscheiden haben. Dabei wird auch die Frage zu beantworten sein, ob für die Leistung der Arbeitgeberin ein Rechtsgrund nach § 616 BGB besteht. Sollte dies der Fall sein, kann abschließend über den geltend gemachten Zahlungsanspruch entschieden werden. Andernfalls verbleibt es bei der Möglichkeit des Vorbehaltsurteils und – nach Rechtskraft – der Verweisung.

Soweit der Mitarbeiter hilfsweise einen Schadensersatzanspruch wegen einer unterbliebenen Beantragung der Entschädigung nach § 56 IfSG durch die Arbeitgeberin geltend macht, ist über die Zulässigkeit des Rechtsweges erst nach Entscheidung über den Hauptanspruch von dem dafür letztlich zuständigen Gericht zu befinden.

Die Rechtsbeschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 05.05.2023

Aktenzeichen: 14 Ta 368/22