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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Abfindung : Ablehnung eines Angebots?

Abfindung : Ablehnung eines Angebots?

Aus § 150 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt sich, dass eine wirksame Annahme eines Angebots nur dann vorliegt, wenn sie dem Angebot entspricht, also mit diesem deckungsgleich ist. Jede Annahme unter inhaltlichen Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt dagegen als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. Ob eine Abweichung vorliegt oder nicht, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (§ 133, 157 BGB) und beurteilt sich aus der Perspektive des Empfängerhorizonts, hier also aus Sicht der Arbeitgeberin.

Ein Mitarbeiter war seit 1989 als Kraftfahrer bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Er war wegen seines Alters und der Dauer der Betriebszugehörigkeit ordentlich unkündbar. Die Arbeitgeberin beschäftigte 140 Arbeitnehmer; es gab keinen Betriebsrat. Am 30.09.2020 hatte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter eine Abmahnung erteilt, weil er gegen die betriebliche Verhaltensregel zum Tragen von Mund- und Nasenschutz in der Corona-Pandemie verstoßen habe. Hiergegen ging der Mitarbeiter gerichtlich vor. Vom 28.09.2020 bis zum 07.05.2021 war er ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Am 10.05.2021 nahm der Mitarbeiter seine Arbeit wieder auf. Am 19.07.2021 stellte ihn die Arbeitgeberin unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung frei.

Bereits im Januar 2021 hatten die Gesellschafter der Arbeitgeberin die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb mit Wirkung zum 31.08.2021 einzustellen. Nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige kündigte die Arbeitgeberin allen Arbeitnehmern. Dem Mitarbeiter kündigte sie das Arbeitsverhältnis am 20.01.2021 außerordentlich unter Wahrung einer sozialen Auslauffrist zum 31.08.2021. Ab 21.01.2021 führten die Personalvorgesetzten mit den Arbeitnehmern Einzelgespräche über den Abschluss von Abwicklungsvereinbarungen. Der Mitarbeiter war zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig krank. Weil die Arbeitsunfähigkeit andauerte und sein Anwalt am 27.01.2021 um die Unterbreitung eines Abfindungsangebots bat, übersandte ihm die Arbeitgeberin umgehend den Entwurf einer sog. „Abwicklungsvereinbarung“ mit der Bitte, sie unterschrieben zurückzusenden.

Der Anwalt des Mitarbeiters signalisierte am 05.02.2021 gegenüber der Arbeitgeberin zwar grundsätzliches Interesse an einer Abwicklungsvereinbarung, jedoch nicht um jeden Preis und auch nicht im Ungewissen über die Höhe der Abfindung und der Modalitäten. Am 11.02.2021 erhob der Mitarbeiter Kündigungsschutzklage, woraufhin die Arbeitgeberin den Vorschlag der Abwicklung zurücknahm. Am 19.03.2021 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis vorsorglich nochmals mit Wirkung zum 31.10.2021. Zuletzt bot die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter am 23.04.2021 eine Abfindung i.H.v. 37.880 EUR an. Dieses Angebot nahm der Mitarbeiter nicht an. Stattdessen forderte er gerichtlich, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses festzustellen, hilfsweise gem. §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) aufgrund der angebotenen Abwicklungsvereinbarung vom 28.01.2021 die Zahlung einer Abfindung i.H.v. mind. 104.298 EUR brutto.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung bestätigt. Für die auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung der Arbeitgeberin vom 20.01.2021 mit Auslauffrist bestand wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB. Der Mitarbeiter hatte auch keinen Anspruch auf eine Abfindung analog § 1a KSchG.

Die Arbeitgeberin hatte dem Mitarbeiter nach dem eindeutigen Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 20.01.2021 kein Angebot analog § 1a KSchG unterbreitet. Sie hatte dem Mitarbeiter vielmehr mit Schreiben vom 28.01.2021 eine Abwicklungsvereinbarung angeboten. Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage war dabei unschädlich. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Mitarbeiter keinen vertraglichen Anspruch auf eine Abfindung hat, weil er das am 28.01.2021 unterbreitete Angebot der Arbeitgeberin auf eine „Abwicklungsvereinbarung“ abgelehnt hatte.

Ein Vertrag kommt gem. § 145 BGB durch Angebot und Annahme des Angebots zustande. Die Arbeitgeberin hatte dem Mitarbeiter ihr Vertragsangebot am 28.01.2021 unterbreitet. Dieses Angebot hatte der Mitarbeiter mit Anwaltsschreiben vom 05.02.2021 nicht so angenommen, wie es ihm gemacht worden war. Das bedeutete rechtlich, dass er das Vertragsangebot der Arbeitgeberin abgelehnt hat. Das ursprünglich von der Arbeitgeberin gemachte Angebot war damit erledigt (§ 150 Abs. 2 BGB).

Entgegen der Ansicht des Mitarbeiters war das Schreiben seines Anwalts als Ablehnung zu qualifizieren. Aus § 150 Abs. 2 BGB ergibt sich, dass eine wirksame Annahme nur dann vorliegt, wenn sie dem Angebot entspricht, also mit diesem deckungsgleich ist. Jede Annahme unter inhaltlichen Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt dagegen als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. Ob eine Abweichung vorliegt oder nicht, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (§ 133, 157 BGB) und beurteilt sich aus der Perspektive des Empfängerhorizonts, also aus Sicht der Arbeitgeberin. Und nach diesen Grundsätzen hatte der Mitarbeiter das Angebot der Arbeitgeberin abgelehnt.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19.01.2023

Aktenzeichen: 5 Sa 135/22