Fristlose Kündigung und Annahmeverzug
Der Mitarbeiter hatte das Änderungsangebot abgelehnt und war auch nicht zur Arbeit erschienen. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14.12.2019 erneut und zwar „außerordentlich zum 17.12.2019 um 12 Uhr MEZ“. Ferner wies sie darauf hin, „im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung“ erwarte sie den Mitarbeiter „am 17.12.2019 spätestens um 12 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“. Der Mitarbeiter erschien wieder nicht.
Auf die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters wurde von Gericht rechtskräftig festgestellt, dass beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hatten. Nachdem die Arbeitgeberin für den Monat Dezember 2019 nur noch eine Vergütung von 765,14 EUR brutto zahlte und der Mitarbeiter erst zum 01.04.2020 ein neues Arbeitsverhältnis begründen konnte, erhob er Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs, mit der er die Zahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalts abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes bis zum Antritt der neuen Beschäftigung verlangte.
Der Mitarbeiter war der Ansicht, eine Weiterbeschäftigung bei der Arbeitgeberin zu geänderten oder auch den ursprünglichen Arbeitsbedingungen sei ihm, sofern die Arbeitgeberin dies überhaupt ernsthaft angeboten habe, nicht zuzumuten gewesen. Die Arbeitgeberin habe ihm zur Begründung ihrer fristlosen Kündigungen in umfangreichen Ausführungen zu Unrecht mannigfaches Fehlverhalten vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt. Sie habe ihrerseits geltend gemacht, eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters sei ihr unzumutbar. Die Arbeitgeberin sah sich nicht im Annahmeverzug befunden, weil der Mitarbeiter während des Kündigungsschutzprozesses nicht bei ihr weitergearbeitet habe. Der Mitarbeiter sei selbst von der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausgegangen, weil er im Kündigungsschutzprozess einen Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung gestellt habe.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht hatten der Arbeitgeberin Recht gegeben und entschieden, dass der Mitarbeiter keine Vergütungszahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs verlangen könne, da er nicht leistungswillig i.S.d. § 297 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gewesen sei. Auf die nachträglich zugelassene Revision des Mitarbeiters hat das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil abgeändert und der Klage stattgegeben.
Weil die Arbeitgeberin selbst davon ausgegangen war, eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters sei ihr nicht zuzumuten, sprach wegen ihres widersprüchlichen Verhaltens eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie dem Mitarbeiter kein ernstgemeintes Angebot zu einer Prozessbeschäftigung unterbreitet hatte. Die abweichende Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht beruhte auf einer nur selektiven Berücksichtigung des Parteivortrags und war schon deshalb nicht vertretbar. Darüber hinaus ließ die Ablehnung eines solchen „Angebots“ nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Mitarbeiters i.S.d. § 297 BGB schließen. Es wäre lediglich in Betracht gekommen, dass er sich nach § 11 Nr. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) böswillig unterlassenen Verdienst hätte anrechnen lassen müssen. Das schied hier jedoch aus, weil dem Mitarbeiter aufgrund der gegen ihn im Rahmen der Kündigungen erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person eine Prozessbeschäftigung bei der Arbeitgeberin nicht zuzumuten war.
Dem stand nicht entgegen, dass der Mitarbeiter im Kündigungsschutzprozess die vorläufige Weiterbeschäftigung beantragt hatte. Dieser Antrag war auf die Prozessbeschäftigung nach festgestellter Unwirksamkeit der Kündigungen gerichtet. Nur wenn der Mitarbeitr in einem solchen Fall die Weiterbeschäftigung abgelehnt hätte, hätte er sich seinerseits widersprüchlich verhalten. Hier ging es indes um die Weiterbeschäftigung in der Zeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung. Es macht schließlich einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung erhobenen (gravierenden) Vorwürfe weiterarbeiten soll oder er nach erstinstanzlichem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess gleichsam „rehabilitiert“ in den Betrieb zurückkehren kann.