Rechtsanwalt Dr. von Harbou

Vertrauen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Geben Sie mir die Gelegenheit, Sie von mir und meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Gerne vereinbare ich mit Ihnen einen ersten Termin, in dem wir Ihr Anliegen besprechen und ich Sie anschließend über die rechtlichen Möglichkeiten, Erfolgsaussichten, Risiken und Kosten informiere.

Geschäftszeiten

Montag - Freitag 09:00 -18:00 Uhr
Samstag - Sonntag Geschlossen

Aktueller Rechtsblog

Top
Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Schmerzensgeld wegen Tinnitus durch Signalhorn des Feuerwehrautos

Schmerzensgeld wegen Tinnitus durch Signalhorn des Feuerwehrautos

Der Haftungsausschluss nach § 105 Sozialgesetzbuch (SGB) VII entfällt nicht schon dann, wenn ein bestimmtes und für den Gesundheitsschaden ursächliches Handeln – hier die Betätigung des Signalhorns eines Feuerwehrfahrzeuges – gewollt war. Er entfällt nur dann, wenn auch der Gesundheitsschaden – hier Tinnitus – für den Fall seines Eintritts gewollt war, also mindestens gebilligt, jedenfalls aber in Kauf genommen wurde.

Zwei Arbeitskollegen stritten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall. Der klagende Mitarbeiter und sein beklagter Kollege waren Beschäftigte in der Feuerwache einer Kaserne. Der Kollege wollte ein Feuerwehrfahrzeug zurück zum Unterbringungsort auf dem Gelände der Feuerwache bringen. Dazu musste er einen engen Hofeinfahrtsbereich passieren. Dort saßen zwei Feuerwehrleute auf einer Parkbank und der klagende Mitarbeiter stand mit dem Rücken zum herannahenden Feuerwehrfahrzeug auf dem Bürgersteig. Er bemerkte das herannahende Fahrzeug nicht. Der Kollege hielt das Fahrzeug an. Anschließend betätigte er kurz das Signalhorn des Fahrzeuges. Neben dem Signalhorn verfügt das Fahrzeug über eine Hupe, welche jedoch nicht alleine betätigt werden kann, sondern gleichzeitig das Signalhorn auslöst.

Nur der klagende Mitarbeiter erlitt durch das Betätigen des Signalhorns einen Gesundheitsschaden. Er begab sich in ärztliche Behandlung. Er war danach mehr als 18 Monate arbeitsunfähig erkrankt. Der Unfall wurde als Arbeitsunfall anerkannt.

Mit Klage zum Arbeitsgericht begehrte der verletzte Mitarbeiter von seinem Kollegen Schmerzensgeld, Feststellung der Ersatzpflicht von Folgeschäden und die Erstattung vorgerichtlicher Kosten. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Auch die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht blieb erfolglos. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Der verletzte Mitarbeiter hat keine Ansprüche gegen den Kollegen auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz nach § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Er ist mit diesen Ansprüchen nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. Der Kollege war bei Betätigung des Signalhorns betrieblich tätig und handelte ohne Vorsatz.

Der verletzte Mitarbeiter hatte angeführt, der Kollege habe sich untypisch und exzessiv verhalten. Das Betätigen des Signalhorns sei nur bei Gelegenheit im Betrieb ausgeübt worden und nicht im betrieblichen Interesse. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist der Begriff der betrieblichen Tätigkeit jedoch nicht eng auszulegen. Er umfasst auch Tätigkeiten, die in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen. Die Art, wie die Tätigkeit ausgeführt wird (sachgemäß oder fehlerhaft, vorsichtig oder leichtsinnig), entscheidet nicht darüber, ob es sich um eine betriebliche Tätigkeit handelt oder nicht. Der betriebliche Charakter der Tätigkeit geht nicht dadurch verloren, dass der Arbeitnehmer bei der Ausführung der Tätigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt.

Für die Haftungsfreistellung ist nach der Rechtsprechung des BAG maßgeblich, ob der Schaden in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit im dargestellten Sinne oder aber bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb durch den Schädiger verursacht wurde und folglich nur dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzurechnen ist (BAG, Urt. v. 22.04.2004, Az. 8 AZR 159/03). Im vorliegenden Fall führte die Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze zur Annahme einer betrieblich veranlassten Tätigkeit bei der Betätigung des Signalhorns durch den Kollegen. Der Kollege war im betrieblichen Interesse mit dem Fahrzeug unterwegs. Er war mit dem Fahrzeug auf dem Weg, um es an dem dafür vorgesehenen Unterbringungsort abzustellen. Er rangierte in einem unstreitig engen räumlichen Umfeld. In diesem Umfeld hielten sich auch mehrere Personen auf. Nach dem unbestrittenen Vorbringen waren diese Personen teilweise in Bewegung, standen teilweise auch herum oder verrichteten etwas. Diese Personen hatten zumindest teilweise das Fahrzeug nicht bemerkt. Der Kollege betätigte nach dem Einfahren in den engen Bereich und vor der eigentlichen Rangiertätigkeit das Signalhorn und machte damit alle in dem Bereich Anwesenden unmissverständlich darauf aufmerksam, dass auf das von ihm gelenkte Fahrzeug zu achten war. Sein Handeln diente damit der Gefahrenvorsorge und war insoweit betrieblich veranlasst. Eine ausschließlich gegen die Person des verletzten Mitarbeiters gerichtete Tätlichkeit mit dem Ziel, diesen zu erschrecken, kann darin nicht gesehen werden.

Der Kollege hätte als milderes Mittel der Warnung vor Gefahren nicht alleine die Hupe betätigen können, die nicht den Schalldruck eines Signalhorns erreicht. Unstreitig zwischen den Parteien waren Hupe und Signalhorn bei dem Feuerwehrfahrzeug gekoppelt mit dem Effekt, dass die Hupe nicht alleine bedient werden konnte. Das mildere Mittel wäre gewesen, das Seitenfenster herunterzukurbeln und die umstehenden Personen durch lautes Rufen zu warnen. Entscheidungserheblich ist dies jedoch nicht. Das Betätigen des Signalhorns nimmt diesem nicht den Charakter der betrieblichen Tätigkeit, weil der Kollege damit nicht das mildeste zur Verfügung stehende Mittel wählte.

Soweit der verletzte Mitarbeiter meinte, der Kollege habe mit Vorsatz gehandelt, so war auch dem nicht zuzustimmen. Nach der Rechtsprechung des BAG entfällt der Haftungsausschluss nicht bereits dann, wenn ein bestimmtes Handeln, das für den Unfall ursächlich gewesen ist, gewollt und gebilligt wurde. Für die Annahme der vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls ist vielmehr ein „doppelter Vorsatz“ erforderlich. Der Vorsatz des Schädigers muss nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen (zuletzt BAG, Urt. v. 28.11.2019, Az. 8 AZR 35/19). Die Darlegungs- und Beweislast liegt grundsätzlich beim verletzten Mitarbeiter. Dieser muss deshalb Umstände schildern, die den Schluss auf eine vorsätzliche Handlung im genannten Sinne begründen. Im vorliegenden Fall führte die Anwendung dieser Rechtsprechungsmaßstäbe dazu, dass nicht von einem vorsätzlichen Handeln des Kollegen ausgegangen werden kann. Er hat das Signalhorn absichtlich betätigt, die Verletzungshandlung also absichtlich begangen. Den Verletzungserfolg dagegen hat er nicht gebilligt. Es ging ihm nach den Umständen nicht darum, den verletzten Mitarbeiter und eventuell andere in der Nähe befindliche Personen zu verletzen. Die Umstände sprechen eher dagegen. Unstreitig waren mehrere Personen in dem engen räumlichen Umfeld anwesend. In unmittelbarer Nähe zum verletzten Mitarbeiter saßen zwei andere Feuerwehrleute auf einer Bank und unterhielten sich mit dem verletzten Mitarbeiter. Im Hinblick auf diese räumliche Situation hätte der Kollege den Verletzungserfolg nicht nur hinsichtlich des verletzten Mitarbeiters haben dürfen. Es fehlen aber jegliche Anhaltspunkte im Sachverhalt dafür, dass der Kollege einen Gehörschaden bei drei seiner Kollegen gewollt hätte im Sinne eines billigenden Inkaufnehmens. Insoweit ist auch nicht zu übersehen, dass der verletzte Mitarbeiter selbst geltend macht, der Kollege habe ihn nur erschrecken wollen. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass der Kollege den verletzten Mitarbeiter eben nur erschrecken wollte, aber nicht in seiner Gesundheit verletzen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 20.12.2022

Aktenzeichen: 7 Sa 243/22