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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Datenerhebung zur Überwachung der Mitarbeiter bei Amazon

Datenerhebung zur Überwachung der Mitarbeiter bei Amazon

Anders als zuvor die niedersächsische Datenschutzbehörde hat das Verwaltungsgericht Hannover den Einsatz von Handscannern für zulässig gehalten, mithilfe derer bestimmte Arbeitsschritte innerhalb der jeweiligen Prozesspfade von Warenein- bis Warenausgang erfasst werden. Das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten überwiege hier nicht die unternehmerischen Interessen von Amazon.

Das klagende Unternehmen betreibt in Winsen (Luhe) ein Logistikzentrum zur Auslieferung von Waren aus dem Onlineversandhandel von Amazon (sog. „Fulfillment Center“). In bestimmten Arbeitsbereichen benutzen die Beschäftigten Handscanner, mittels derer bestimmte Arbeitsschritte erfasst werden. Die Daten werden mit einer Softwareanwendung ausgewertet und dienen in erster Linie der Steuerung logistischer Prozesse. Daneben werden mit den Daten auch Bewertungsgrundlagen für Qualifizierungsmaßnahmen sowie für Feedback und Personalentscheidungen gelegt.

Wegen dieser Vorgehensweise leitete die Aufsichtsbehörde ein datenschutzrechtliches Kontrollverfahren gegen das Unternehmen ein mit dem Ergebnis, dass sie dem Unternehmen mit Bescheid von Oktober 2020 untersagte, aktuelle und minutengenaue Quantitäts- und Qualitätsdaten ihrer Beschäftigten ununterbrochen zu erheben und diese zur Erstellung von Quantitätsleistungs- und Qualitätsleistungsprofilen sowie für Feedbackgespräche und Prozessanalysen zu nutzen. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass die ununterbrochene Erhebung der entsprechenden Leistungsdaten der Beschäftigten rechtswidrig sei und gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoße.

Hiergegen wendete sich das Unternehmen mit ihrer Klage. Zur Begründung trug sie u.a. vor, sie verstoße nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Vielmehr habe sie ein berechtigtes Interesse an der Datenerhebung und Datenverarbeitung. So würden aktuelle und minutengenaue individuelle Leistungswerte bei der Steuerung der Logistikprozesse kurzfristig dazu benötigt, um auf Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen reagieren zu können. Anhand der aktuellen Leistungswerte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könne sie erkennen, ob Mitarbeitende an einem bestimmten Tag besonders schnell oder besonders langsam arbeiteten und hierauf durch Umverteilung reagieren. Mittelfristig würden zurückliegende individuelle Leistungswerte benötigt, um die konstanten Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden zuverlässig erfassen und bei der flexiblen Einsatzplanung berücksichtigen zu können. Zudem ermögliche diese Vorgehensweise die Schaffung objektiver und fairer Bewertungsgrundlagen für Feedback und Personalentscheidungen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern könne objektives und individuell leistungsbezogenes Feedback gegeben werden, das nicht durch subjektive Wahrnehmungen beeinflusst sei.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid der Behörde aufgehoben. Das Gericht hat die Berufung zugelassen.

In der ununterbrochenen Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten lag kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. In Deutschland gibt es (noch) kein Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, so dass sich der Beschäftigtendatenschutz weiterhin nach § 26 Bundesdatenschutzgesetz richtet. Danach dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Durchführung des Beschäftigtenverhältnisses oder die Beendigung erforderlich ist.

Die Datenverarbeitung ist für alle drei Zwecke – Steuerung der Logistikprozesse, Steuerung der Qualifizierung und Schaffung von Bewertungsgrundlagen für individuelles Feedback und Personalentscheidungen – erforderlich. Hinsichtlich der Optimierung der Logistikprozesse ist einleuchtend, dass das Unternehmen die verarbeiteten Daten dazu nutzen kann, um auf Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen von Beschäftigten ad hoc zu reagieren und so den reibungsfreien Ablauf aller Prozesse innerhalb des Fulfillment Centers, das auf die Auslieferung der Ware zu einem genau definierten Zeitpunkt (Cut-Off-Zeitpunkt) ausgerichtet ist, zu garantieren. Auch kann das Unternehmen individualisierte Qualifizierungsbedarfe der Beschäftigten schnell detektieren und auf diese reagieren. Schließlich verschaffen die erhobenen Daten eine breite und objektive Grundlage für Feedback und Personal- und Beförderungsentscheidungen.

Der durch die Überwachung der Beschäftigten bedingte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten steht nicht außer Verhältnis zu den schützenswerten Interessen des Unternehmens, so dass der Eingriff auch angemessen ist.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse und nach der Befragung der Zeugen – der früheren Betriebsratsvorsitzenden und des jetzigen Betriebsratsvorsitzenden – in der mündlichen Verhandlung ging eine Abwägung der gegenläufigen Interessen hier zu Gunsten des Unternehmens aus. Das Gericht hat dabei u.a. berücksichtigt, dass keine heimliche Datenerhebung erfolgt, die Beschäftigten die Datenerhebung vielmehr vorhersehen können und wissen, dass das Unternehmen die Daten für die logistischen Prozesse benötigt. Zudem findet keine Verhaltenskontrolle statt, die Kommunikation und physische Bewegungen werden nicht erfasst; vielmehr findet „nur“ eine Leistungskontrolle statt. Die Privatsphäre ist nicht betroffen. Außerdem ist der Hauptzweck der Datenerhebung nicht die Überwachung und Kontrolle der Beschäftigten, sondern die Steuerung der Logistikabläufe. Schließlich wird die Möglichkeit objektiven Feedbacks und fairer Personalentscheidungen von vielen Beschäftigten als positive Wirkung der Überwachung gewertet; dies haben auch die Zeugen bestätigt, die deutlich gemacht haben, dass die Überwachung kein besonderes Thema im Betrieb ist.

Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 09.02.2023

aktenzeichen: 10 A 6199/20