Jubiläumszuwendung für 35-jährige Beschäftigungszeit
Am 13.10.2021 hatte die Mitarbeiterin die Zahlung eines Jubiläumsgeld für ihr 35-jähriges Dienstjubiläum nach der Gesamtbetriebsvereinbarung geltend gemacht. Die Arbeitgeberin weigerte sich zu zahlen. Sie war der Auffassung, dass die Mitarbeiterin keinen Anspruch auf Zahlung des Jubiläumsgeldes habe. Das Dienstjubiläum sei erst am 01.09.2021 gewesen; zu diesem Zeitpunkt sei die Mitarbeiterin bereits ausgeschieden gewesen.
Die Mitarbeiterin war der Ansicht, dass sie die Anspruchsvoraussetzungen der Gesamtbetriebsvereinbarung erfülle. Das Arbeitsverhältnis habe bei ihrem Ausscheiden – unstreitig – genau 35 Jahre bestanden. Der Beschäftigungszeitraum berechne sich nach den §§ 187, 188 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), so dass die 35-jährige Beschäftigungszeit mit Ablauf des 31.08.2021 vollendet gewesen sei. Allein die Ableistung einer 35-jährigen Beschäftigungszeit sei Anspruchsvoraussetzung für die Zahlung des begehrten Jubiläumsgeldes.
Das Gericht gab der Klage auf Zahlung des streitgegenständlichen Jubiläumsgeldes statt. Der Mitarbeiterin stand ein Anspruch auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes i.H.v. 2.200 EUR nach der Gesamtbetriebsvereinbarung zu.
Mit Vollendung der 35-jährigen Beschäftigungszeit am 31.08.2021 war der Anspruch der Mitarbeiterin auf Zahlung des Jubiläumsgeldes i.H.v. 2.200 EUR entstanden. Das ergab die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung zum Jubiläumsgeld. Betriebsvereinbarungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach den für Gesetze und für Tarifverträge geltenden Grundsätzen auszulegen. Auszugehen ist vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergab die gebotene Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung, dass die Mitarbeiterin mit Ablauf des 31.08.2021 – und nicht erst am 01.09.2021 – einen Anspruch auf Zahlung des Jubiläumsgeldes erworben hat. Die Auslegung nach dem Wortlaut führte dabei zu keinem eindeutigen Ergebnis. Jedoch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Gesamtbetriebsvereinbarung führte zu dem Ergebnis, dass die Vollendung der Beschäftigungszeit zur Begründung eines Anspruchs auf Jubiläumsgeld ausreichte.
Der Zweck der aufgrund einer freiwilligen Betriebsvereinbarung gewährten Jubiläumsgeldzahlungen besteht im Wesentlichen darin, die vom Arbeitnehmer in der Vergangenheit erbrachte Betriebstreue und die Arbeitsleistung in der Vergangenheit zu belohnen. Die Betriebstreue bzw. Arbeitsleistung von 10, 25 bzw. 35 Jahren hat der Arbeitnehmer deshalb nach einer Betriebszugehörigkeit von 10, 25 oder 35 Jahren erbracht. Bezogen auf diesen Zweck gibt es keinen Grund, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über diesen Zeitpunkt hinaus – wenn auch nur für kurze Zeit oder gar nur für eine juristische Sekunde – zu verlangen. Dem steht nicht entgegen, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung regelt, dass der Mitarbeiter „bei den nachstehenden Dienstjubiläen“ ein Jubiläumsgeld erhält. Denn damit trifft die Gesamtbetriebsvereinbarung lediglich eine Regelung zur Fälligkeit des Anspruchs, die dem Grundgedanken des § 271 BGB entspricht.