Besseres Verhandlungsgeschick rechtfertigt keine schlechtere Bezahlung von Frauen gegenüber männlichen Kollegen
Neben der Mitarbeiterin waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb der Arbeitgeberin zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit dem Januar 2017. Die Arbeitgeberin hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt i.H.v. 3.500 EUR brutto angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Er verlangte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung, d.h. für die Zeit bis zum 31.10.2018 ein höheres Grundentgelt von 4.500 EUR brutto. Die Arbeitgeberin gab dieser Forderung nach.
Nachdem die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer von November 2017 bis Juni 2018 – wie auch der Mitarbeiterin – ein Grundentgelt i.H.v. 3.500 EUR gezahlt hatte, vereinbarte sie mit diesem ab Juli 2018 eine Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000 EUR brutto. Zur Begründung berief sie sich u.a. darauf, dass der Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei. Ab August 2018 zahlte die Arbeitgeberin dem männlichen Arbeitnehmer ein tarifvertragliches Grundentgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der Mitarbeiterin, das sich in Anwendung der „Deckelungsregelung“ des § 18 Abs. 4 des Haustarifvertrags auf 4.120 EUR brutto belief.
Die Mitarbeiterin war der Ansicht, die Arbeitgeberin müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Dies folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege verrichte. Da die Arbeitgeberin sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe, schulde sie ihr zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung i.H.v. mind. 6.000 EUR.
Der Umstand, dass die Mitarbeiterin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründete die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Arbeitgeberin ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere konnte sie sich für den Zeitraum März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 konnte die Arbeitgeberin die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.
Für den Zeitraum ab August 2018 ergab sich der höhere Entgeltanspruch der Mitarbeiterin bereits aus dem Tarifvertrag. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin fand die „Deckelungsregelung“ in § 18 Abs. 4 Haustarifvertrag auf die Mitarbeiterin keine Anwendung, weil diese zuvor kein tarifliches, sondern ein einzelvertraglich vereinbartes Entgelt erhalten hatte.
Infolgedessen war der auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichteten Klage der Mitarbeiterin teilweise zu entsprechen. Das Bundesarbeitsgericht hielt insofern eine Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts i.H.v. 2.000 EUR für angemessen.