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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Rettungsassistenten: Gleicher Stundenlohn für geringfügig Beschäftigte

Rettungsassistenten: Gleicher Stundenlohn für geringfügig Beschäftigte

Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch Wünsche anmelden können, denen dieser allerdings nicht nachkommen muss, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden.

Ein Mitarbeiter war als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei einer Arbeitgeberin tätig, der im Auftrag eines Rettungszweckverbandes u.a. Notfallrettung und Krankentransporte durchführt. Sie beschäftigt – von ihr so genannte – „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie im Streitzeitraum eine Stundenvergütung von 17 EUR brutto zahlte. Daneben sind sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten für sie tätig, die eine Stundenvergütung von 12 EUR brutto erhalten. Hierzu gehörte auch der betreffende Mitarbeiter.

Die Arbeitgeberin teilt die nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht einseitig zu Diensten ein, diese können vielmehr Wunschtermine für Einsätze benennen, denen die Arbeitgeberin versucht zu entsprechen. Ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht. Zudem teilt die Arbeitgeberin den nebenamtlichen Rettungsassistenten noch zu besetzende freie Dienstschichten mit und bittet mit kurzfristigen Anfragen bei Ausfall von hauptamtlichen Rettungsassistenten um Übernahme eines Dienstes. Im Arbeitsvertrag des Mitarbeiters ist eine durchschnittliche Arbeitszeit von 16 Stunden pro Monat vorgesehen. Darüber hinaus ist bestimmt, dass er weitere Stunden leisten kann und verpflichtet ist, sich aktiv um Schichten zu kümmern.

Der Mitarbeiter verlangte zusätzliche Vergütung i.H.v. rund 3.300 EUR brutto für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021. Er war der Ansicht, die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern stelle eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit dar. Die Arbeitgeberin hielt die Vergütungsdifferenz für sachlich gerechtfertigt, weil sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten.

Das Gericht gab dem Mitarbeiter Recht und verurteilte die Arbeitgeberin zur Lohnnachzahlung.

Die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung benachteiligte den Mitarbeiter entgegen § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ohne sachlichen Grund. Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten sind gleich qualifiziert und üben die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Arbeitgeberin pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten bildet keinen sachlichen Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Es war bereits nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher ist.

Auch wenn man unterstellt, dass die Arbeitgeberin durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit hat, weil sie diesen einseitig Schichten zuweisen kann, ist sie hierbei jedoch nicht frei. Sie unterliegt vielmehr u.a. durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vorgegebenen Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bilden insoweit ihre Einsatzreserve.

Unerheblich war, dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit sind. Die Arbeitgeberin ließ insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste hat. Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss, rechtfertigt in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.01.2023

Aktenzeichen: 5 AZR 108/22