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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews In der Freizeit müssen keine dienstlichen Mitteilungen gelesen werden

In der Freizeit müssen keine dienstlichen Mitteilungen gelesen werden

Ein Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein Dienstplan geändert worden ist. Er ist auch nicht verpflichtet, in seiner Freizeit eine Mitteilung des Arbeitgebers – etwa per Telefon – entgegenzunehmen oder eine SMS zu lesen. Nimmt er eine Information über eine Dienstplanänderung nicht zur Kenntnis, geht ihm diese erst bei Dienstbeginn zu.

Ein Mitarbeiter war als Notfallsanitäter bei einem Rettungsdienst beschäftigt. Im April 2021 wollte die Arbeitgeberin eine kurzfristige Dienstplanänderung für den Folgetag arrangieren. Der Mitarbeiter war jedoch an diesem Tag weder telefonisch noch per SMS zu erreichen. Er meldete sich erst wieder zu seinem ursprünglich geplanten Dienstbeginn. Die Arbeitgeberin wertete dieses Verhalten als unentschuldigtes Fehlen und erteilte dem Mitarbeiter eine Abmahnung. Der Mitarbeiter wehrte sich mit einer Klage gegen den Abzug von Stunden von seinen Arbeitszeitkonten und verlangte die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.

Das Gericht gab dem Mitarbeiter Recht. Es lag kein unentschuldigtes Fehlen vor, da die Arbeitgeberin nicht hat nachweisen konnte, dass dem Mitarbeiter die Mitteilung über die kurzfristige Änderung des Dienstplans zugegangen war. Zwar war davon auszugehen, dass die SMS auf dem Handy des Mitarbeiters eingegangen war. Mit der Kenntnisnahme des Inhalts der SMS durfte die Arbeitgeberin jedoch nicht vor 7:30 Uhr des Folgetages (dem planmäßigen Dienstbeginn des Mitarbeiters) rechnen. Der Mitarbeiter war nämlich nicht dazu verpflichtet, während seiner Freizeit eine dienstliche SMS aufzurufen, um sich über seine Arbeitszeit zu informieren und damit zugleich seine Freizeit zu unterbrechen. Beim Lesen einer SMS, mit der der Arbeitgeber sein Direktionsrecht im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeitsausübung konkretisiert, handelt es sich um Arbeitszeit. Der Mitarbeiter erbringt mit dem Lesen eine Arbeitsleistung.

In seiner Freizeit stand dem Mitarbeiter das Recht auf Unerreichbarkeit zu. Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht (vgl. Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 16.05.2018, Az. 6 Sa 442/17).

Der Mitarbeiter hatte sich auch nicht treuwidrig verhalten, indem er auf die Telefonate nicht reagiert, die SMS nicht zur Kenntnis genommen und auch nicht in den Dienstplan im Internet Einsicht genommen hatte, um sich über seinen Dienstbeginn zu informieren.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 27.09.2022

Aktenzeichen: 1 Sa 39 öD/22