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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Urlaubsansprüche verjähren erst nach Hinweis auf konkreten Urlaubsanspruch und Verfallfristen

Urlaubsansprüche verjähren erst nach Hinweis auf konkreten Urlaubsanspruch und Verfallfristen

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Eine Mitarbeiterin war vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin bei einem Arbeitgeber beschäftigt. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Arbeitgeber an die Mitarbeiterin zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen rund 3.200 EUR brutto. Der weitergehenden Forderung der Mitarbeiterin, Urlaub im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren abzugelten, kam der Arbeitgeber nicht nach. Die Mitarbeiterin klagte beim Arbeitsgericht auf Zahlung.

Das Arbeitsgericht wies die am 06.02.2018 eingereichte Klage ab. Das Landesarbeitsgerichts gab ihr ihr statt und sprach der Mitarbeiterin rund 17.400 EUR brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Das Landesarbeitsgericht erachtete den Einwand des Arbeitgebers, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend. Die Revision des Arbeitgebers am Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte keinen Erfolg.

Die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) finden zwar auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Das BAG setzt damit die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aufgrund der Vorabentscheidung vom 22.09.2022 (Az. C-120/21) um. Nach der Rechtsprechung des EuGH tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit darf nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis beruft, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber kann die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachholt.

Der Arbeitgeber hatte die Mitarbeiterin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Arbeitgeber mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hatte die Mitarbeiterin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.12.2022
Aktenzeichen: 9 AZR 266/20