Arbeitgeber kann Mitarbeiter ins Ausland versetzen
Der Arbeitsvertrag sah vor, dass der Mitarbeiter auch an anderen Orten stationiert werden könne. Die Arbeitgeberin entschied im März 2020, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben und versetzte den Mitarbeiter mit Schreiben vom 20.01.2020 zum 30.04.2020 an ihre Homebase am Flughafen Bologna. Vorsorglich sprach sie eine entsprechende Änderungskündigung aus, die der Mitarbeiter unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm. Der Mitarbeiter hielt seine Versetzung nach Bologna dennoch für unwirksam und meinte im Wesentlichen, das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO erfasse nicht eine Versetzung ins Ausland. Zumindest sei eine solche unbillig, weil ihm sein tariflicher Vergütungsanpruch entzogen werde und ihm auch ansonsten erhebliche Nachteile entstünden. Dagegen war die Arbeitgeberin der Ansicht, § 106 Satz 1 GewO lasse auch eine Versetzung ins Ausland zu, zumal als Alternative nur eine betriebsbedingte Beendigungskündigung in Betracht gekommen wäre. Die Arbeitgeberin wies ferner darauf hin, dass alle an der Homebase Nürnberg stationierten Piloten ins Ausland versetzt worden seien und ein freier Arbeitsplatz an einem inländischen Stationierungsort gar nicht vorhanden gewesen sei. Zudem habe sie das mit der Gewerkschaft VC in einem „Tarifsozialplan bzgl. Stilllegung/Einschränkung von Stationierungsorten“ vorgesehene Verfahren eingehalten. Insofern sei billiges Ermessen gewahrt worden.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte unter Bejahung der Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Art. 8 Rom I-Verordnung die Berufung des Mitarbeiters zurückgewiesen. Auch die Revision des Mitarbeiters vor dem Bundesarbeitsgericht blieb erfolglos.
Die Versetzung des Mitarbeiters an die Homebase der Arbeitgeberin am Flughafen Bologna war nach § 106 Satz 1 GewO wirksam.
Ist – wie im Streitfall – arbeitsvertraglich ein bestimmter inländischer Arbeitsort nicht fest vereinbart, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen, umfasst das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort. Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte im Inland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Die Maßnahme entsprach auch billigem Ermessen entsprach und hielt der Ausübungskontrolle stand, denn die Versetzung war Folge der unternehmerischen Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit war die Möglichkeit, den Mitarbeiter weiter dort zu stationieren, entfallen. Die Arbeitgeberin hatte das für einen solchen Fall in dem mit der Gewerkschaft VC geschlossenen Tarifsozialplan vereinbarte Verfahren eingehalten. Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort gab es nicht, ein Einsatz als „Mobile Pilot“ war nicht möglich, eine Base-Präferenz hatte der Mitarbeiter nicht angegeben, alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten wurden an einen Standort in Italien versetzt.
Die Weisung der Arbeitgeberin ließ den Inhalt des Arbeitsvertrages, insbesondere das arbeitsvertragliche Entgelt, unberührt. Dass der Mitarbeiter den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verloren hat, lag an dem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt war. Zudem sah der Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt würden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiterbeschäftigt werden.
Letztlich war es auch nicht unbillig i.S.d. § 106 Satz 1 GewO, dass die Arbeitgeberin die mit der Versetzung verbundenen sonstigen Nachteile des Mitarbeiters, der seinen Wohnort Nürnberg nicht aufgeben will, finanziell nicht stärker ausgleichen wollte, als es im Tarifsozialplan vorgesehen ist. Weil die Versetzung des Mitarbeiters bereits aufgrund des Weisungsrechts der Arbeitgeberin wirksam war, kam es auf die von ihr vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung nicht mehr an.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.11.2022
Aktenzeichen: 5 AZR 336/21