Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bei Matrixstruktur im Unternehmensverbund
Für die Klage eines Arbeitnehmers gegen seine Vertragsarbeitgeberin sind die Gerichte für Arbeitssachen auch dann zuständig, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Matrixstruktur eines Unternehmensverbunds zum Geschäftsführer von zwei anderen dem Unternehmensverbund angehörenden Gesellschaften bestellt wurde.
Ein Mitarbeiter trat im Oktober 1998 gemäß Anstellungsvertrag als Leiter des Instituts für Verkehrssicherheit in die Dienste einer Arbeitgeberin. Im Zuge der Neugestaltung der Matrix-Organisation der T Group wurde der Mitarbeiter im Jahr 2011 zum Leiter des globalen Geschäftsfelds M.04 Entwicklung/Typprüfung befördert. Die Verantwortlichkeit des Mitarbeiters als Leiter dieses Geschäftsfelds umfasste neben der Führung der entsprechenden Teams in Europa die Führung großer Teams in China, Japan, Korea und Nordamerika. Mit Schreiben vom 04.07.2013, mit dessen Inhalt sich der Mitarbeiter einverstanden erklärte, wandte sich die Arbeitgeberin wie folgt an den Mitarbeiter:
„… wir freuen uns über Ihre Bereitschaft, ab dem 01.09.2013 zusätzlich zu Ihrer Aufgabe als Globaler Geschäftsfeldleiter M.04 die Geschäftsführung der Gesellschaften
T L GmbH, Luxemburg
T F GmbH Berlin.
zu übernehmen.
Die Übernahme dieser Geschäftsführungsfunktionen erfolgt im Rahmen Ihres bestehenden Anstellungsvertrages mit der T K GmbH. Mit der Vergütung aus diesem Vertragsverhältnis sind zugleich alle Vergütungsansprüche als Geschäftsführer abgegolten. …“
Zuletzt erhielt der Mitarbeiter, dem Gesamtprokura erteilt worden war, eine monatliche Vergütung in Höhe von durchschnittlich 18.586,00 EUR brutto.
Die Arbeitgeberin kündigte am 14.12.2021 das Anstellungsverhältnis zum 31.07.2022. Seit dem 04.01.2022 bzw. 28.02.2022 ist er nicht mehr Geschäftsführer luxemburgischen T L GmbH bzw. der T F GmbH Berlin. Mit seiner beim Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten Klage machte er die Unwirksamkeit der Kündigung, das Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses und einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend.
Die Arbeitgeberin rügte die Zulässigkeit des Rechtswegs. Sie habe die bis zum 31.12.2017 unterschiedlichen Vertragsverhältnisse mit Rücksicht auf die organschaftliche Bestellung des Mitarbeiters in den weiteren Gesellschaften einerseits und seine globale Führungsrolle andererseits zusammengeführt und auch hinsichtlich der Entgeltseite einheitlich behandelt. In diesem einheitlichen Vertragsverhältnis habe der Mitarbeiter die gesetzlichen Befugnisse eines Leitungsorgans einer juristischen Gesellschaft ausgeübt. Soweit zu dem Mitarbeiter bis zum 31.12.2017 ein Anstellungsverhältnis eines leitenden Angestellten bestanden habe, sei dieses jedenfalls seit dem 01.01.2018 zu Gunsten des einheitlichen Dienstverhältnisses aufgehoben worden.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss den Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit für eröffnet erklärt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin blieb vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos.
Der Mitarbeiter war Arbeitnehmer des beklagten Unternehmens. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich demgemäß aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b Arbeitsgerichtsgesetze (ArbGG) unabhängig von der Frage, ob es sich bei den Klageanträgen teilweise um sog. Sic-non-Fälle handelt, bei denen die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. An der Arbeitnehmereigenschaft des Mitarbeiters hatte sich durch die Berufung zum Geschäftsführer der T L GmbH (S.a.r.L) und der T F GmbH nichts geändert. Die Parteien hatten den zwischen ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag nicht anlässlich der Bestellung des Mitarbeiters zum Geschäftsführer aufgehoben. In ihrem Schreiben vom 04.07.2013 hatte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter ausdrücklich mitgeteilt, dass die Übernahme der Geschäftsführungsfunktionen im Rahmen seines bestehenden Anstellungsvertrages erfolge. Dieser Vertrag bildete damit die Grundlage für die Bestellungen des Klägers zum Geschäftsführer der anderen Gesellschaften. Wird ein in einem Unternehmensverbund beschäftigter Arbeitnehmer zum Geschäftsführer einer anderen verbundangehörigen Gesellschaft bestellt, kann ein zuvor abgeschlossener Arbeitsvertrag die Rechtsgrundlage für die Geschäftsführerbestellung bei der anderen Gesellschaft sein. Bei einer solchen Drittanstellung verbleibt es bei der Rechtsnatur des ursprünglichen Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis, wenn der Angestellte neben seinen neuen Aufgaben als Geschäftsführer weiterhin Aufgaben bei seiner Vertragsarbeitgeberin ausübt. Der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters mit der Arbeitgeberin hatte sich durch die Bestellung zum Geschäftsführer auch nicht in einen freien Dienstvertrag umgewandelt. Anders als die Arbeitgeberin meinte, führte die unternehmensübergreifende Zusammenfassung von Arbeitnehmer- und Geschäftsführeraufgaben nicht zu einem einheitlichen Dienstverhältnis. Vielmehr ist es in Bezug auf die Aufgaben des Mitarbeiters als Leiter des globalen Geschäftsfelds M.04 bei dem Direktionsrecht der Arbeitgeberin und damit bei der Stellung des Mitarbeiters als Arbeitnehmer des beklagten Unternehmens verblieben. Die Einbindung des Mitarbeiters und seiner Aufgaben in eine Matrix-Struktur ändert daran nichts.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14.07.2022
Aktenzeichen: 9 Ta 68/22