Fristlose Kündigung nach Compliance-Untersuchung: 2-Wochen-Frist
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben dem Mitarbeiter Recht und erklärten die Kündigung für unwirksam, da die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 Satz 1 BGB) nicht gewahrt worden war. Auf die Revision der Arbeitgeberin hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Landesarbeitsgericht. Die Vorinstanzen hatten die fristlose Kündigung der Arbeitgeberin vom 27.09.2019 zu Unrecht für rechtsunwirksam gehalten, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erklärt worden sei. Nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin war die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB gewahrt. Die Frist beginnt nach Satz 2 mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber – wie hier – um eine juristische Person, ist grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich. Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter. Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn ihnen Vorgesetzten- oder Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. § 166 BGB findet weder direkte noch analoge Anwendung. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB trägt der Arbeitgeber, er muss die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat.
Die Arbeitgeberin hatte vorgetragen, ein für sie Kündigungsberechtigter habe frühestens am 16.09.2019 Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt. An diesem Tag sei ihrem Geschäftsführer der Zwischenbericht der mit der internen Untersuchung beauftragten Rechtsanwaltskanzlei übergeben worden. Unerheblich war, ob die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erst zu laufen begann, nachdem der Mitarbeiter zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung genommen hatte. Denn mit dem Zugang der Kündigung am 28.09.2019 waren selbst gerechnet ab dem 16.09.2019 noch nicht mehr als zwei Wochen vergangen. Unerheblich war es zudem gemäß § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB für die Wahrung der Frist, ob der Leiter der Compliance-Abteilung bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hatte. Denn dieser war nicht zur Kündigung berechtigt.
Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts trugen nicht die Annahme, die Arbeitgeberin könne sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht darauf berufen, die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB gewahrt zu haben. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Der Arbeitgeber kann sich gem. § 242 BGB nicht auf die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB berufen, wenn er es zielgerichtet verhindert hat, dass eine für ihn kündigungsberechtigte Person bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangte, oder wenn sonst eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass sich die späte Kenntniserlangung einer kündigungsberechtigten Person als unredlich darstellt. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht keine Umstände festgestellt, die eine unzulässige Rechtsausübung der Arbeitgeberin begründen. Da das Bundesarbeitsgericht nicht selbst über die Wirksamkeit der Kündigung entscheiden kann, wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurück verwiesen.