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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Verjährung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub

Verjährung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit der Frage befasst, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub einer allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen kann, auch wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen.

Eine Mitarbeiterin war von 1996 bis Juli 2017 bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte die Mitarbeiterin von der Arbeitgeberin für die von ihr zwischen 2013 und 2017 nicht genommenen 101 Tage bezahlten Jahresurlaubs eine finanzielle Vergütung. Die Arbeitgeberin lehnte es ab, der Mitarbeiterin den Jahresurlaub abzugelten. Der Anspruch sei verjährt, weil die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren Anwendung finde.

Das mit der Sache befasste Bundesarbeitsgericht (BAG) ist der Ansicht, dass die Ansprüche der Mitarbeiterin für die Jahre 2013 bis 2016 nicht nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) erloschen seien, weil ihre Arbeitgeberin sie nicht in die Lage versetzt habe, ihren bezahlten Jahresurlaub tatsächlich zur gebotenen Zeit zu nehmen. Aus dem gleichen Grund hat das BAG Zweifel, ob die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren Anwendung finden kann. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der EuGH hat entschieden, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer für einen Bezugszeitraum erworben hat, nach Ablauf einer Frist von drei Jahren verjährt, deren Lauf mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem dieser Anspruch entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen.

Es ist zwar richtig, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert werden zu müssen, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden. Dieses Interesse ist allerdings dann nicht mehr berechtigt, wenn der Arbeitgeber davon abgesehen hat, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen, und sich somit selbst in eine Situation gebracht hat, in der er mit solchen Anträgen konfrontiert wird und aus der er zulasten des Arbeitnehmers Nutzen ziehen könnte. Dies wird vorliegend das BAG zu prüfen haben. Eine solche Situation ist nämlich nicht mit derjenigen vergleichbar, für die der EuGH – wenn die längere Abwesenheit des Arbeitnehmers auf eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen ist – ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran anerkannt hat, sich nicht der Gefahr einer Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten gegenüberzusehen, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können. In einer Situation wie der vorliegenden ist es Sache des Arbeitgebers, gegen späte Anträge wegen nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs dadurch Vorkehrungen zu treffen, dass er seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachkommt. Damit wird die Rechtssicherheit gewährleistet, ohne dass das in der Charta verankerte Grundrecht auf bezahlten Jahresurlaub eingeschränkt wird.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22.09.2022

Aktenzeichen: C-120/21