Verjährung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub
Das mit der Sache befasste Bundesarbeitsgericht (BAG) ist der Ansicht, dass die Ansprüche der Mitarbeiterin für die Jahre 2013 bis 2016 nicht nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) erloschen seien, weil ihre Arbeitgeberin sie nicht in die Lage versetzt habe, ihren bezahlten Jahresurlaub tatsächlich zur gebotenen Zeit zu nehmen. Aus dem gleichen Grund hat das BAG Zweifel, ob die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren Anwendung finden kann. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Es ist zwar richtig, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert werden zu müssen, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden. Dieses Interesse ist allerdings dann nicht mehr berechtigt, wenn der Arbeitgeber davon abgesehen hat, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen, und sich somit selbst in eine Situation gebracht hat, in der er mit solchen Anträgen konfrontiert wird und aus der er zulasten des Arbeitnehmers Nutzen ziehen könnte. Dies wird vorliegend das BAG zu prüfen haben. Eine solche Situation ist nämlich nicht mit derjenigen vergleichbar, für die der EuGH – wenn die längere Abwesenheit des Arbeitnehmers auf eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen ist – ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran anerkannt hat, sich nicht der Gefahr einer Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten gegenüberzusehen, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können. In einer Situation wie der vorliegenden ist es Sache des Arbeitgebers, gegen späte Anträge wegen nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs dadurch Vorkehrungen zu treffen, dass er seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachkommt. Damit wird die Rechtssicherheit gewährleistet, ohne dass das in der Charta verankerte Grundrecht auf bezahlten Jahresurlaub eingeschränkt wird.