Corona: Eilantrag einer ungeimpften Zahnarztmitarbeiterin gegen Praxisbetretungsverbot
Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde nun zurück.
In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann die Frage der Verfassungskonformität eines Gesetzes nur dann Gegenstand der ausschließlich möglichen summarischen Prüfung sein, wenn bei offensichtlicher Verfassungswidrigkeit der Norm die Dringlichkeit, ihren Vollzug einstweilen auszusetzen, besonders deutlich wird. Gerade im Hinblick auf die Regelungsgegenstände aus dem Bereich des Infektionsschutzes – als besonderem Gefahrenabwehrrecht – muss eine etwaige Verfassungswidrigkeit in einem Eilverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellbar sein. Gemessen hieran bliebt das Beschwerdevorbringen ohne Erfolg, wonach § 20a IfSG mittlerweile wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz offensichtlich verfassungswidrig sei, da eine Wirksamkeit der Impfungen zum Schutz vor (symptomatischen) SARS-CoV-2-Infektionen bei der nunmehr vorherrschenden Omikron-Variante BA.5 im Vergleich zu den Omikron-Vorgängervarianten deutlich nachgelassen habe bzw. nicht mehr „relevant“ sei (sog. Immune Escape), so dass mit Testungen ein milderes und effektiveres Mittel zur Infektionsprävention zur Verfügung stehe. Entgegen dem Vorbringen der Mitarbeiterin ist es nicht „auf Grundlage aller verfügbaren Daten“ offensichtlich, dass die Vertretbarkeit der Eignungsprognose des Gesetzgebers, die verfügbaren Impfstoffe könnten in einem noch relevanten Umfang vor einer Infektion schützen und – sollten sich Betroffene gleichwohl infizieren – zu einer Reduzierung des Transmissionsrisikos beitragen, erschüttert wäre.
Die dem Beschluss des BVerfG vom 27.04.2022 (Az. 1 BvR 2649/21) zur einrichtungsbezogenen Nachweispflicht gemäß § 20a IfSG zugrundeliegenden Stellungnahmen der als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften beziffern eine Impfstoffwirksamkeit gegenüber der „Omikron-Variante“ des Coronavirus SARS-CoV-2 – vorbehaltlich wissenschaftlicher Bewertungsunsicherheiten – bei dreifach Geimpften auf 40 bzw. 50 bis 70%; bei einer Grundimmunisierung sei die Schutzrate (teils mit 42,8% beziffert) zwar reduziert, aber nicht bzw. erst nach Ablauf von 15 Wochen nach der Grundimmunisierung aufgehoben. Zudem bestehe eine im Allgemeinen niedrigere Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch eine geimpfte Person nach Infektion mit der Omikron-Variante. Hiervon ausgehend hat das BVerfG erkannt, dass die Annahme des Gesetzgebers einer noch relevanten Schutzwirkung der Nachweispflicht des § 20a IfSG im Rahmen der auf die Eignung bezogenen Einschätzungsprärogative sowohl im Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes als auch weiterhin tragfähig ist. Nach der im vorliegenden Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung war nicht festzustellen, dass sich diese noch im April 2022 verfassungsgerichtlich gebilligte Einschätzung des Gesetzgebers unter Berücksichtigung der seit Mitte Juni 2022 und gegenwärtig mit 95% den ganzüberwiegenden Teil sequenzierter Sublinien ausmachenden Omikron-Sublinie BA.5 offensichtlich als nicht mehr vertretbar erweist. Dies gilt insbesondere mit Blick auf eine nach der Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) vom 01.09.2022 erwartbare Zulassung für September 2022 angekündigter, an die Virusvariante BA.1 angepasster Impfstoffe sowie die geplante Einführung an die Virusvarianten BA.4 und BA.5 angepasster Impfstoffe Ende September/Anfang Oktober 2022.