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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Keine Änderung der insolvenzrechtlichen Rangfolge durch Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit

Keine Änderung der insolvenzrechtlichen Rangfolge durch Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit

Der Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit führt nicht zu einer Änderung der Rangordnung des § 209 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO).

Ein Mitarbeiter stritt mit dem Insolvenzverwalter des Arbeitgebers über den insolvenzrechtlichen Rang von Annahmeverzugsansprüchen. Der beklagte Insolvenzverwalter hatte sich im Lauf des Insolvenzverfahrens nach erfolgter Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 InsO im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung in der Folgezeit zunächst auf Neumasseunzulänglichkeit und sodann auf Neu-Neumasseunzulänglichkeit berufen und diese jeweils dem Insolvenzgericht gegenüber angezeigt. Der Eintritt der angezeigten Neu-Neumasseunzulänglichkeit ist zwischen den Parteien streitig.

Der von der Arbeitsleistung freigestellte Mitarbeiter hat Annahmeverzugsansprüche, die in den Zeitraum nach der „Neumasseunzulänglichkeitsanzeige“ des Insolvenzverwalters fallen, vorrangig mit einer Leistungsklage geltend gemacht. Hilfsweise hat er gestaffelt die Feststellung dieser Ansprüche als Masseverbindlichkeiten begehrt, die jeweils im Rang vor denjenigen Masseverbindlichkeiten stehen, die bis zu der jeweiligen (Neu-)Masseunzulänglichkeitsanzeige begründet worden sind.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht wies die Leistungsklage ab und gab der Feststellungsklage teilweise statt. Die Revision des Mitarbeiters und die Anschlussrevision des Insolvenzverwalters hatten vor dem Bundesarbeitsgerichts (BAG) keinen Erfolg.

Der Leistungsklage fehlte das Rechtsschutzbedürfnis. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG und des Bundesgerichtshofs (BGH) können Ansprüche nur noch mit einer Feststellungsklage geltend gemacht werden, wenn nach erfolgter Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO durch den Insolvenzverwalter die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse nicht zur Deckung der Neumasseverbindlichkeiten ausreicht.

Hat der Insolvenzverwalter nach § 208 Abs. 1 InsO (drohende) Masseunzulänglichkeit angezeigt, ändert sich nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung von BAG und BGH die Rangfolge für die Masseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 1 InsO nicht, wenn in der Folgezeit die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse nicht ausreicht, um fällige Neumasseverbindlichkeiten zu decken. Diese sind dann nur noch quotal zu befriedigen. An dieser Rechtsprechung hat der Sechste Senat des BAG festgehalten.

Die Insolvenzordnung regelt abschließend, dass eine Rangfolgenordnung nur einmal erfolgt. Daher findet eine Rangabwertung der Neumasseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO bei erneuter Masseunzulänglichkeit nicht statt. Sog. Neu- bzw. Neu-Neumasseunzulänglichkeitsanzeigen des Insolvenzverwalters entfalten deshalb keine Bindungswirkung iSd. § 208 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter hat folglich die Neumasseunzulänglichkeit im Bestreitensfall darzulegen und zu beweisen.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.8.2022

Aktenzeichen: 6 AZR 441/21