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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kündigung eines Flugzeugkapitäns wegen Flottenreduzierung rechtsunwirksam

Kündigung eines Flugzeugkapitäns wegen Flottenreduzierung rechtsunwirksam

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat einer weiteren Kündigungsschutzklage eines Kapitäns gegen seine Fluggesellschaft aufgrund fehlerhafter Sozialauswahl stattgegeben.

Ein Pilot war seit dem 01.11.1999 bei einer Fluggesellschaft beschäftigt, zuletzt als Kapitän. Am 05.03.2021 schlossen die Arbeitgeberin und die Gesamtvertretung Bordpersonal einen Interessenausgleich. Zu der geplanten Betriebsänderung hieß es dort, dass die Arbeitgeberin ihre Flotte auf 22 Flugzeuge reduzieren und sechs ihrer derzeit unterhaltenden Stationen vollständig und dauerhaft schließen werde. Weiter hieß es, dadurch sei im Bereich des Cockpit- und Kabinenpersonals die Beschäftigtenzahl anzupassen. Dabei dürfte die tariflich vereinbarte Zahl von 370 Cockpitmitarbeitenden nicht unterschritten werden. Der tatsächliche Bedarf an Cockpitpersonal liege – so der Vortrag der Arbeitgeberin im Gerichtsverfahren –  aufgrund der Betriebsänderung sogar nur noch bei 340. Mit Schreiben vom 27.03.2021 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis des Kapitäns außerordentlich betriebsbedingt zum 31.12.2021.

Mit einer Kündigungsschutzklage wendete sich der Kapitän gegen die betriebsbedingte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Er argumentierte, das noch vorhandene Cockpitpersonal sei nicht in der Lage, ohne überobligatorische Arbeit das verbliebene Flugaufkommen zu bedienen. Alle Mitarbeitenden müssten Mehrflugstunden leisten. Die Sozialauswahl sei zudem nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Die Arbeitgeberin hingegen erachtete die Kündigung für wirksam. Der Beschäftigungsbedarf für den klagenden Kapitän sei entfallen. Die Sozialauswahl habe sie zutreffend einheitlich und bundesweit bezogen auf alle Stationen durchgeführt.

Ebenso wie bereits die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (Urteile vom 24.03.2022) hat auch die 6. Kammer der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Die Kündigung war jedenfalls aufgrund fehlerhafter Sozialauswahl rechtsunwirksam. Die Arbeitgeberin durfte die gemäß § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vorgesehene Sozialauswahl nicht bundeseinheitlich vornehmen. Diese ist nur innerhalb der Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchzuführen. Diese Gruppe wird durch die arbeitsvertraglich vorgesehene Versetzbarkeit begrenzt. In einer Vielzahl von Arbeitsverträgen hatte die Arbeitgeberin mit dem Cockpitpersonal einen sog. „dienstlichen Wohnsitz“ vereinbart, ohne sich die Versetzung an einen anderen Ort ausdrücklich vorzubehalten. Auch der Arbeitsvertrag des hier klagenden Kapitäns enthielt die Vereinbarung eines „dienstlichen Wohnsitzes“, nämlich den Ort seiner Station. Im Übrigen hieß es in dem Arbeitsvertrag lediglich, dass die Arbeitgeberin sich für die Zeit der Einarbeitung die Versetzung an einen anderen Ort vorbehielt. Bei dieser vertraglichen Situation durfte die Arbeitgeberin den Kapitän nach der Einarbeitung nicht an eine andere Station versetzen. Die Vergleichbarkeit der zu Kündigenden war mithin auf die Station begrenzt. Weil die Arbeitgeberin eine davon abweichende falsche bundesweite Sozialauswahl vorgenommen hatte, war die Kündigung des Kapitäns gemäß § 1 Abs. 3 KSchG wegen fehlerhafter Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt und deshalb rechtsunwirksam.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen. Klärungsbedürftig ist nach Ansicht der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf die Frage der Versetzbarkeit von Flugkapitäninnen und Flugkapitänen bei Vereinbarung eines „dienstlichen Wohnsitzes“ im Arbeitsvertrag ohne ausdrücklichen Versetzungsvorbehalt.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.06.2022

Aktenzeichen: 6 Sa 1118/21