Mindestlohn nicht gegen Insolvenzanfechtung gesichert
Bei Insolvenz des Arbeitgebers kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 129 ff. Insolvenzordnung (InsO) vom Arbeitnehmer das zu bestimmten Zeitpunkten ausbezahlte Arbeitsentgelt zu Gunsten der Insolvenzmasse zurückfordern. Dies dient der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger nach den insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln. Der Rückgewähranspruch umfasst das gesamte Arbeitsentgelt einschließlich des gesetzlichen Mindestlohns. Der Gesetzgeber hat den Mindestlohn nicht anfechtungsfrei gestellt.
Eine Arbeitnehmerin erhielt in den letzten beiden Monaten vor dem Insolvenzantrag des Arbeitgebers – und damit in von § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO erfassten Zeiträumen – unter Angabe des Verwendungszwecks für zwei Monate ihr Arbeitsentgelt von dem Konto der Mutter ihres damals bereits zahlungsunfähigen Arbeitgebers. Am 01.12.2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet. Der auf Rückgewähr gegen die Arbeitnehmerin klagende Insolvenzverwalter hatte die Zahlungen wegen sog. Inkongruenz angefochten. Nach Ansicht der Arbeitnehmerin war eine Anfechtung in Höhe des Existenzminimums bzw. in Höhe des Mindestlohns unzulässig.
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Insolvenzverwalter Recht und gab der Klage in voller Höhe statt. Eine grundsätzliche Einschränkung der Insolvenzanfechtung ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Schutz des Existenzminimums des Arbeitnehmers wird durch die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO) und das Sozialrecht gewährleistet. Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch bezieht sich uneingeschränkt auch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Wurde dieser durch Zahlung erfüllt, enden die Rechtswirkungen des Mindestlohngesetzes. Einen Ausschluss der Anfechtbarkeit oder einen besonderen Vollstreckungsschutz hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2022
Aktenzeichen: 6 AZR 497/21