Kündigung wegen Vorlage von Corona-Testnachweisen aus dem Internet
Bei der Arbeitgeberin galt ab dem 22.11.2021 gemäß § 28 b Infektionsschutzgesetz (IFSG) die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Danach musste durch Nachweiskontrollen die 3G-Regel täglich überwacht und dokumentiert werden. Die Arbeitgeberin bot ihren nicht geimpften Mitarbeitern ab dem 24.11.2021 tägliche Tests unter Aufsicht an. Eine Bescheinigung über den Beschäftigtentest wurde nur auf besonderen Wunsch ausgestellt. Der nicht geimpfte Mitarbeiter machte von diesem Angebot ab dem 24.11.2021 täglich Gebrauch und wurde stets negativ getestet.
In den folgenden Tagen kam es schwerpunktmäßig sowohl auf dem Bauhof zu gehäuften Corona-Erkrankungen. Der Mitarbeiter hatte in dieser Woche erstmalig auch ein Testzertifikat über die Internetseite Dr. B. bezogen. Das Testzertifikat hatte er beanstandungslos beim Betreten einer Soccerhalle vorgelegt. Das Gesundheitsministerium des Landes NRW warnte allerdings seit dem 28.11.2021 vor diesen „nicht verkehrsfähigen Testnachweisen“. Die Verwendung solcher Tests im Rechtsverkehr stelle eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld geahndet werden könne.
Am 07.12.2021 fand ein Personalgespräch statt, in dem der Mitarbeiter informiert wurde, dass er sich bei der Vorlage des Testnachweises um eine Straftat handeln könnte und außerdem eine fristlose Kündigung beabsichtigt sei. Ab dem 08.12.2021 war der Mitarbeiter arbeitsunfähig krank. Der Rechtsanwalt des Mitarbeiters erklärte, ohne die Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist und die Zahlung einer angemessenen Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes komme die Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages nicht in Betracht. Am 13.12.2021 teilte die Arbeitgeberin mit, sie sei bereit, dem Mitarbeiter die ordentliche Kündigungsfrist einzuräumen, nicht jedoch eine Abfindung zu zahlen. Am 15.12.2021 erfolgte die außerordentliche, vorsorglich ordentlich Kündigung.
Der Mitarbeiter klagte gegen die Kündigung. Für den Fall des Obsiegens beantragte er die Weiterbeschäftigung. Das Gericht gab dem Mitarbeiter Recht und erklärte die Kündigung für unwirksam.
Das Arbeitsgericht Bielefeld stimmte der Auffassung des Arbeitsgericht Hamburg allerdings nicht zu. Erhebliche Gefahren für den Gesundheitsschutz Dritter liegen nach Ansicht des Gerichts erst dann vor, wenn das Testergebnis, das bescheinigt wird, ein unzutreffendes Testergebnis ist. Der Arbeitgeberin ist es deshalb nicht gelungen, dem Mitarbeiter nachzuweisen, dass er ein gefälschtes Gesundheitszeugnis vorgelegt hatte. Er hatte der Arbeitgeberin „lediglich“ ein nicht gültiges Testzertifikat vorgelegt.
Legt der Mitarbeiter vor Betreten der Arbeitsstätte dem Arbeitgeber einen aufgrund des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht ordnungsgemäßen Testnachweis vor, erfüllt er nach Ansicht des Gerichts die nach § 28 b Abs. 3 Satz 2 IfSG obliegende Nachweispflicht nicht. Damit darf der Arbeitnehmer den Betrieb nicht betreten und verliert den Entgeltanspruch. Er hat dadurch selbst mindestens eine Ordnungswidrigkeit begangen und die Beklagte in Gefahr gebracht, dass sie sich ebenfalls bußgeldpflichtig macht, indem sie Arbeitnehmer beschäftigt, die kein gültiges Negativattest vorgelegt haben.
Dem Gericht fehlt jedes Verständnis für die Vorlage eines den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechenden Negativattests, nur um sich der Vorlage eines täglichen Bürgertests zu entziehen. Wenn man Impfskeptiker ist, muss man dazu und zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen stehen und kann sich nicht durch Vorlage eines „Fake“-Attests aus dem Internet Vorteile verschaffen, für die man kein Risiko eingehen möchte. Dem Mitarbeiter konnte letztlich aber nicht wiederlegt werden, dass er der Richtigkeit der Angaben auf der Internetseite von Dr. B. vertraut hatte. Vor diesem Hintergrund reichte nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Fall der Ausspruch einer Abmahnung zur Beseitigung der Störung ihres Dauerschuldverhältnisses als milderes Mittel aus.