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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Auslegung einer Ausgleichsklausel in einem Aufhebungsvertrag

Auslegung einer Ausgleichsklausel in einem Aufhebungsvertrag

Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ausgleichsklauseln in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder in einem Aufhebungsvertrag sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Durch eine Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie an diese dachten oder nicht.

Eine 41-jährige Mitarbeiterin arbeitete seit 2009 bei einer Arbeitgeberin, seit Mai 2017 als Assistentin der Herstellungsleitung bei 30 Stunden die Woche und einem monatlichen Gehalt von 1.550 EUR brutto. Im Mai 2020 erkrankte die Mitarbeiterin. Für den Zeitraum vom 05.05.2020 bis 12.06.2020 stellte eine Allgemeinmedizinerin ihr eine Erst- und später eine Folgebescheinigung mit der Diagnose u.a. „Leichte depressive Episode“ aus. Ein Orthopäde erteilte der Mitarbeiterin eine Erstbescheinigung vom 15.06.2020 bis 29.06.2020 mit der Diagnose u.a. „Schwindelsyndrome“. Die Folgebescheinigungen hierzu erstreckten sich bis zum 31.07.2020.

Da die Mitarbeiterin am 16.06.2020 bereits mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig war, erkundigte sich die Arbeitgeberin bei der Krankenkasse nach den Krankheitsursachen. Die Krankenkasse sah die Arbeitgeberin wegen einer ab 15.06.2020 neu aufgetretenen Erkrankung in der Pflicht, weiterhin Entgeltfortzahlung zu leisten. Die Arbeitgeberin zahlte daraufhin das Gehalt der Mitarbeiterin bis einschließlich 26.07.2020 fort. Für den Zeitraum vom 03.08.2020 bis zum 28.08.2020 erhielt die Mitarbeiterin mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von zwei HNO-Praxen. Am 28.08.2020 folgte wiederum ein AU-Bescheid von der Allgemeinmedizinerin und zwar als Folgebescheinigung bezogen auf den 05.05.2020. Eine Praxis für Psychotherapie bezog sich in ihrer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 31.08.2020, die zunächst bis zum 29.09.2020 reichte und später auf den 31.10.2020 verlängert wurde, ebenfalls auf einen Krankheitsbeginn am 05.05.2020.

Die Arbeitgeberin korrigierte daraufhin die Lohnabrechnungen für die Monate Juni sowie Juli 2020. Die Parteien schlossen am 15.10./27.10.2020 eine Aufhebungsvereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2020 beendet werden sollte. Unter § 4 wurde folgende Ausgleichsklausel vereinbart:

„Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt sind.“

Die Arbeitgeberin kürzte daraufhin den Nettoverdienst um die Nettoüberzahlung aus den Nachberechnungen für die Monate Juni und Juli 2020 von rund 1.474 EUR. Die Mitarbeiterin war der Ansicht, dass ihr auch im Zeitraum 15.o6.2020 bis 26.07.2020 Entgeltfortzahlung zu gewähren sei, da es sich um eine neue Erkrankung gehandelt habe. Das Arbeitsgericht wies die Klage auf Zahlung ab. Auf die Berufung der Mitarbeiterin änderte das Landesarbeitsgericht die Entscheidung ab und verurteilte die Arbeitgeberin dazu, den zuvor gekürzten Betrag an die Mitarbeiterin auszuzahlen.

Die Mitarbeiterin hatte aus § 611a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung des abgerechneten Arbeitsentgelts für den Monat Oktober 2020 in voller Höhe. Der Anspruch der Mitarbeiterin war nicht durch Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB). Es fehlte nämlich an einem Anspruch der Arbeitgeberin, der demjenigen der Mitarbeiterin entgegengestellt werden konnte. Die Arbeitgeberin konnte nicht die Rückzahlung der im Zeitraum 16.06. bis 26.07.2020 geleisteten Entgeltfortzahlung verlangen.

Die Parteien hatten eine Aufhebungsvereinbarung mit Ausgleichsklausel getroffen. Die Regelung erfasste auch einen evtl. Bereicherungsanspruch wegen einer Gehaltsüberzahlung im Juni/Juli 2020. Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ausgleichsklauseln in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder in einem Aufhebungsvertrag sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Durch eine Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie an diese dachten oder nicht.

Die Klausel „… dass mit der Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt sind“ schließt eine Aufrechnung wegen einer früheren Gehaltsüberzahlung aus, wenn dieser Anspruch der Arbeitgeberin neben den sonstigen Ansprüchen der Parteien nicht gesondert aufgeführt ist. Ob die Parteien bei Abschluss des Aufhebungsvertrages an diesen Anspruch gedacht haben, ist unerheblich. Bekannt war er der Arbeitgeberin im vorliegenden Fall jedenfalls zu diesem Zeitpunkt einschließlich der Höhe des überzahlten Betrages. Die Aufrechnung war hier auch nicht deshalb noch möglich, weil die Parteien vereinbart hatten, dass das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß und entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelungen abgerechnet wird und die sich ergebenden Nettobeträge ausgezahlt werden.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20.04.2022
Aktenzeichen: 5 Sa 100/21