Annahmeverzug des Arbeitgebers bei einer von ihm angeordneten Quarantäne
„Sie verlieren für die Zeit einer erforderlichen Quarantäne, wie auch einer tatsächlichen COVID-19 Erkrankung Ihre Lohnfortzahlungsansprüche. Wir bitten Sie eindringlich, von Reisen in Risikogebiete Abstand zu nehmen.“
Der Mitarbeiter befand sich bis zum 15.08.2020 wegen des Todes seines Bruders im genehmigten Urlaub. Er hielt sich in der Zeit vom vier Tage in der Türkei auf. Diese war zum damaligen Zeitpunkt als sog. Corona-Risikogebiet ausgewiesen; es bestand eine Reisewarnung. Vor der Ausreise aus der Türkei absolvierte der Kläger einen Corona-Test (PCR-Test), der negativ war. Bei der Einreise in Deutschland ließ er erneut einen Corona-Test vornehmen, der ebenfalls negativ war. Ein Arzt bescheinigte ihm zudem, dass er symptomfrei sei. Das Gesundheitsamt gab dem Mitarbeiter auf dessen Nachfrage bekannt, dass Reiserückkehrende aus Corona-Risikogebieten von der Pflicht zur 14-tägigen Quarantäne ausgenommen sind, wenn sie „einen aktuellen negativen Corona-Test (ärztliches Attest nebst Laborbefund) in deutscher oder englischer Sprache vorweisen können, der nicht älter als 48 Stunden ist und in einem Mitgliedstaat der EU oder einem sonstigen durch das RKI veröffentlichten Staat durchgeführt wurde.“
Am 17.8.2020 suchte der Mitarbeiter den Betrieb der Arbeitgeberin auf, wurde jedoch nicht an den Arbeitsplatz gelassen, sondern am Werktor abgewiesen. Die Arbeitgeberin teilte dem Mitarbeiter mit, dass sie Sicherheitsvorkehrungen zur Verhinderung möglicher COVID-19 Infektionen getroffen habe, über die er bereits im Juni aufgeklärt worden sei. Außerdem erteilte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter für den Monat August 2020 eine Entgeltabrechnung, in der die Zeit vom 17. bis zum 28.08.2020 als Urlaub vermerkt war.
Das Arbeitsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Auch die Berufung der Arbeitgeberin am Landesarbeitsgerichts blieb erfolglos.
Der Mitarbeiter hatte seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten. Ihm war es auch rechtlich möglich, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Eine rechtliche Unmöglichkeit hätte zwar im Falle einer gesetzlich angeordneten Quarantäne vorgelegen. Der Mitarbeiter war aber nicht aufgrund gesetzlicher Vorgaben rechtlich verpflichtet, sich in Quarantäne zu begeben.
Die Anordnung der Arbeitgeberin durch das Hygienekonzept begründet anders als staatlich angeordnete Quarantänepflicht kein rechtliches Unvermögen. Nach dem Wortlaut des Hygienekonzepts „Rückkehrer aus Risikogebieten bleiben 14 Tage zu Hause“ ist kein reines Betretungsverbot des Betriebs, sondern mit einer Pflicht, „zu Hause zu bleiben“, eine Quarantänepflicht angeordnet, für die der Arbeitgeber ersichtlich keine Regelungskompetenz hat. Aber auch, wenn man die Anordnung als reines Betretungsverbot des Betriebs auslegt, begründet dies kein rechtliches Unvermögen des Mitarbeiters.
Es konnte offenbleiben, ob ein durch eine Betriebsvereinbarung oder Gesamtbetriebsvereinbarung angeordnete Quarantäne/Betretungsverbot wirksam gewesen und ein rechtliches Unvermögen hätte begründen können. Das Hygienekonzept erfüllte bereits nicht die formellen Voraussetzungen nach § 77 Abs. 2 BetrVG und entfaltet bereits deswegen – wie auch die Arbeitgeberin einräumte – keine Wirkung auf das Arbeitsverhältnis nach § 77 Abs. 4 BetrVG.