Auslegung einer unwiderruflichen Freistellung in einem Kündigungsschreiben
„Kündigung
Sehr geehrte Frau …
hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.8.2021. Die Kündigung ist aus betriebsbedingten Gründen leider notwendig. Dies bedauere ich zutiefst.
Ich stelle Sie hiermit ab sofort unwiderruflich unter Anrechnung auf noch bestehende Urlaubsansprüche und Freizeitausgleichsansprüche bis zum oben angegebenen Beendigungsdatum von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung frei.
Durch die Freistellung sollen zunächst die noch offenen Urlaubsansprüche und erst anschließend etwaige Freizeitausgleichsansprüche erfüllt werden.“
Die Mitarbeiterin klagte gegen die Kündigung mit der Maßgabe, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen bis zum 31.10.2021 fortbesteht.
Am 10.09.2021 ging der Klägerin ein Schreiben der Arbeitgeberin mit folgenden Inhalt zu:
„Sehr geehrte Frau …,
von der ihrerseits gegen uns erhobenen Klage haben wir Kenntnis. Bereits an dieser Stelle teilen wir mit, dass wir den Klageanspruch anerkennen werden. Mithin erwarten wir Sie zum Arbeitsantritt pünktlich am 13.9.2021. (…)“
Die Mitarbeiterin erschien fortan nicht mehr zur Arbeit. Nach erfolglosen Abmahnungen kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis am 21.09.2021 außerordentlich fristlos aus wichtigem Grund. Aufgrund eines zwischenzeitlich eingegangenen Anerkenntnisses der Arbeitgeberin erließ das Arbeitsgericht am 21.09.2021 ein Anerkenntnisurteil, in dem festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung vom 31.07.2021 nicht beendet worden war, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum 31.10.2021 fortbestand.
Die Mitarbeiterin klagte auch gegen die außerordentliche Kündigung vom 21.09.2021 und bekam auch hier Recht. Die Kündigung vom 21.09.2021 war ebenfalls unwirksam und hatte das Arbeitsverhältnis der Parteien daher nicht aufgelöst.
Es lag kein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung vor. Die Mitarbeiterin hatte nicht unentschuldigt gefehlt, da sie bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2021 unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden war. Die Mitarbeiterin war insbesondere nicht verpflichtet, ihre Arbeitsleistung ab dem 13.09.2021 aufgrund der Aufforderung des Beklagten vom 10.09.2021 zu erbringen.
Mit der unwiderruflichen Freistellung verzichtet der Arbeitgeber endgültig und unumkehrbar auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Sie kann nur einvernehmlich wieder aufgehoben werden. Dies folgt daraus, dass es sich bei der unwiderruflichen Freistellung im Regelfall um ein Angebot des Arbeitgebers auf Abschluss eines Erlassvertrages gem. § 397 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) handelt, das der Arbeitnehmer konkludent annehmen kann, wobei hinsichtlich des Zugangs der Annahmeerklärung § 151 BGB greift. Das ist vorliegend der Fall. Etwas anderes gilt auch nicht etwa weil die Mitarbeiterin gegen die Kündigung vom 31.07.2021 Klage erhoben hat. Dass sie mit der unwiderruflichen Freistellung einverstanden gewesen war, ergibt sich daraus, dass sie ab dem 01.08.2021 nicht mehr zur Arbeit erschien. Daraus durfte die Arbeitgeberin den Schluss ziehen, dass sie das Angebot angenommen hat.
Die Auslegung des Kündigungsschreibens vom 31.07.2021 ergab, dass die unwiderrufliche Freistellung auch über den fehlerhaft berechneten Kündigungstermin am 30.08.2021 hinausgeht. Die Arbeitgeberin hatte die Kündigungsfrist mit seiner Kündigungserklärung vom 31.07.2021 nicht eingehalten. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens ergibt allerdings, dass die Arbeitgeberin jedenfalls die zutreffende Kündigungsfrist hat wahren wollen. Eine vom Arbeitgeber mit zu kurzer Kündigungsfrist zu einem bestimmten Datum erklärte ordentliche Kündigung, die den Zusatz „fristgemäß zum“ enthält, kann als Kündigung zum richtigen Kündigungstermin ausgelegt werden, wenn es dem Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar wesentlich um die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist ging und sich das in die Kündigungserklärung aufgenommene Datum lediglich als das Ergebnis einer fehlerhaften Berechnung der zutreffenden Kündigungsfrist erweist. Dies war hier der Fall.